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Drei Engel und Arnie

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In "Terminator 6: Dark Fate" kapern die Frauen den Action-Film. Nach einer guten Stunde darf aber auch der alte Arnold Schwarzenegger in seiner Paraderolle als Modell T-800 ein bisschen mitmischen – und sich martialisch und actiongeladen nach besseren Zeiten sehnen.

Da blitzt es elektrisch, da wummert eine große Kugel herum, da fällt eine nackte, blonde Frau heraus, und als ein paar Polizisten anrücken, legt sie los und ... Ist das eine menschlich aussehende Maschine, ist das also die neue Terminatorin, aus der Zukunft geschickt, um dieselbe in der Gegenwart zu reparieren oder endgültig zu zerstören? Ja, sie wurde aus der Zukunft geschickt, und nein, sie ist keine Maschine, sondern ein "modifizierter" und guter Mensch namens Grace (Mackenzie Davis), die es mit dem echten und ebenfalls gerade einer Zeitreisekugel entfallenen bösen Terminator (Gabriel Luna) aufnehmen soll. Letzterer ist ein Modell Rev-9, und damit dem T-800, der 1984 in Gestalt von Arnold Schwarzenegger in unseren Kinos wütete, weit überlegen. In der Zukunft von "Terminator 6: Dark Fate", die in kurzen Rück-, nein, besser: in kurzen Vorblenden geschildert wird, hat sich aber nicht viel geändert. Es herrscht leider immer noch beziehungsweise schon wieder Krieg, die Künstliche Intelligenz lässt ihre Hardware erneut auf die letzten Menschen los.

Die "Terminator"-Filme sind Zeitreisen in jedem Sinne, sie erzählen immer auch von der Welt, in der sie entstanden sind, zum Beispiel von Arnold Schwarzeneggers Karriere, der 1991 zwar immer noch das Modell T-800 spielte (oder war es umgekehrt?), nun aber die Seiten gewechselt hatte und den zukünftigen Erlöser der Menschheit vor einem T-1000-Terminator beschützen wollte. Der konnte sich nach jeder Beschädigung immer wieder rekonstruieren, was im Film durch so genanntes "Morphing" gezeigt wurde. Die von James Cameron initiierte "Terminator"-Serie versteht sich nämlich auch als Leistungsshow der Tricks und Effekte, sie demonstriert stolz den Stand der Technik und führt im Rückblick etwa den Übergang von der analogen zur computergenerierten Bastelei vor. Aber es geht, wie gesagt, nicht nur um Technik, sondern auch um Weltbilder.

Im nun sechsten und von Tim Miller inszenierten Teil, der sich erzählerisch an den zweiten anschließt und die Fortsetzungen ignoriert, laufen die Computerbilder zwar auf Hochtouren – ein Lastwagen pflügt buchstäblich durch Autoschlangen, in einem Flugzeug geht es hoch her und an einem Staudamm wird ein krachendes Finale ausgefochten –, aber wirklich neu sieht das nicht aus. Der gestaltwandelnde "Morphing"-Effekt von damals hat zwar (und dies bis zur ermüdenden Redundanz) in der Quantität zugenommen, aber kaum in der Qualität. Wirklich neu ist etwas anderes. Zum Beispiel, dass die junge Dani (Natalia Reyes), die es nun für die Rettung der Zukunft zu beschützen gilt, eine Mexikanerin ist. Und dass sie nicht nur von Grace verteidigt wird, die als Terminator-Bekämpfungs-Arbeitskleidung ein ärmelloses Feinripp-Shirt gewählt hat, sondern auch von einer cool in Kampfweste agierenden Sarah Connor.

Jawohl, Sarah Connor ist wieder da! Und wie in den ersten beiden "Terminator"-Teilen wird sie gespielt von Linda Hamilton, der neben Sigourney Weaver als Alien-Bekämpferin Ripley zweiten großen und weiblichen Action-Ikone des Kinos der achtziger und neunziger Jahre. Wettergegerbt sieht sie aus, und immer noch drahtig und taff. "Ich jage Terminatoren und ich trinke bis zum Umfallen", so stellt sie sich vor, ein für ihre Verhältnisse recht langer Satz. Oft begnügt sie sich mit einem herzhaften "Fuck!" Sarkastisch kann sie aber auch werden. Dass zum Beispiel Dani für die Rettung der Zukunft auserkoren wurde, so wie früher mal ihr Sohn Connor, kommentiert Sarah mit einem Ach-immer-dieselbe-Geschichte-Blick und einem eher despektierlich gemeinten Vergleich Danis mit der Mutter Maria, die einen Erlöser zu gebären hat. Aber auch hier wartet auf Sarah und auf den Zuschauer eine Überraschung.

Auch Arnie und ein Schlepper gehören zu den Guten

Dani, Grace und Sarah also. Drei Heldinnen. Kein Zweifel, die Frauen haben diesen Action-Film gekapert, und wenn sie mit vereinten Kräften auf den bösen Terminator losgehen, ihn wieder und wieder zu Boden hämmern, ihm das Fleisch vom Stahlskelett schießen, ihn in Abgründe stürzen und Granaten hinterherwerfen, dann ist das auch ein Kampf der Geschlechter. Nimm das, du Scheißkerl! Immerhin, nach einer guten Stunde Action-Kino darf sich ein guter Mann diesem Frauen-Trio anschließen. Ein Mann, auf den viele Zuschauer lange gewartet haben: Arnie alias Arnold Schwarzenegger! Jawohl, er ist auch wieder dabei, und er ist nicht nur Mann, sondern auch Mensch geworden. In ihm drin steckt zwar noch das Modell T-800, aber er hat sich, wie er selber sagt, ein Gewissen erworben. Seit Jahren schon lebt er wie ein Familienvater mit einer Latino-Frau und deren Sohn in einem netten Haus im Wald. Was er, der sich hier Carl nennt, beruflich so treibt, das packt Teil sechs der für ihre trockenhumorigen One-Liner berühmten Serie in den Satz: "Ich mache in Gardinen."

Drei Engel und Arnie, so könnte man diesen Film betiteln. Dieser Arnie ist als Carl so abgeklärt und gelassen, dass ihm auch Platz vier hinter drei Frauen genügt. Dass trotzdem noch ein bisschen der Alte in ihm steckt, dass er also in seinem Keller ein riesiges Waffenarsenal hortet, das erklärt er allerdings nicht mit seiner Terminator-Vergangenheit, sondern mit seiner geografischen Gegenwart: "Wir sind in Texas". Das leuchtende Beispiel einer geglückten Integration! Und sowieso ist das ein Film, der nicht nur in Sachen Emanzipation voranprescht – und dies in Taten, nicht in genderdiskutierenden Worten –, sondern auch beim Thema Staaten, Völker, Ethnien und Migration. Ein großer Teil spielt zum Beispiel in Mexiko, und wenn sich die Heldinnen Richtung USA bewegen, dann zunächst auf dem Dach eines mit Flüchtlingen besetzten Güterzugs und später, bei der Grenzüberschreitung, angeführt von Danis Onkel, einem sympathisch gezeichneten Schlepper.

An dieser Stelle muss der Vergleich mit einem anderen neuen Film und einem anderen alten Helden gezogen werden. Mit "Rambo 5" und Schwarzeneggers Dauer-Konkurrenten Sylvester Stallone. Auch der hat sich als Rambo in die amerikanische Provinz zurückgezogen und lebt zunächst friedlich mit seiner Latino-Ziehtochter auf einer Ranch. Aber auch er hat vorgesorgt, und zwar für einen Krieg. Sein Terrain ist untertunnelt und mit Fallen gespickt – soll da nur mal einer kommen. Und es kommen, nachdem Rambo sich durch ein als Hölle geschildertes Mexiko gemassakert hat (und seine versklavte Ziehtochter doch nur als Sterbende befreien konnte), die finsteren Horden des Nachbarlandes, eine Schar von Knallfressen, die den lieben, langen Tag nur mit Böse-Sein beschäftigt sind. Heißa, wird das ein Abschlachten! Um es kurz zu machen: "Rambo 5" ist ein rassistisches und reaktionäres Machwerk, banal gesagt: ein Trump-Film. In "Terminator 6" dagegen zeigt sich, wenn auch verborgen hinter martialischen Action- und Zerstörungsorgien, ein bisschen Sehnsucht nach anderen und besseren Zeiten.


Tim Millers "Terminator 6: Dark Fate" ist ab Donnerstag, 24. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier.


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