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Ende Legende

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In der neuen "Robin Hood"-Verfilmung spielt Taron Egerton einen jungen Helden, der irgendwas im Nirgendwo anstellt. Deutlich konkreter das Urteil unseres Filmkritikers.

Robin mitten im Nahostkrieg! Hinterhalt und brutaler Häuserkampf. Viele Feinde schießt der Held (Taron Egerton) mit seinen Pfeilen von den Mauern. Ein schwarzer Araber (Jamie Foxx) aber kann es noch besser, er fliegt durch die Luft und benutzt den Bogen wie ein Schnellfeuergewehr. Bis er einen Arm verliert, gefangen wird und exekutiert werden soll. Robin ist die Kreuzzüglerei inzwischen suspekt geworden, er freundet sich mit dem ehemaligen Feind an, nennt ihn John und nimmt mit ihm, nun zurück in England und seiner Güter beraubt, den Kampf gegen den tyrannischen Sheriff von Nottingham (Ben Mendelsohn) auf. So könnte die alte Geschichte also noch einmal erzählt werden. Man solle allerdings vergessen, was man vorher gesehen habe, mahnt ein Erzähler und verspricht: alles neu!

Aber eine Legende wie die von Robin Hood bleibt nicht dadurch am Leben, dass ihre Aktualisierung zur Amnesie aufruft und alle früheren Versionen löscht. Sie tritt vielmehr, ob sie das nun will oder nicht, mit den älteren Filmen in Konkurrenz. Jede "Robin-Hood"-Story schreibt sich also in eine Gesamterzählung ein, in der die Teile auf je eigene Weise an der Geschichte vom Kampf eines Rebellen gegen ein Unrechtsregime stricken. Auf naiv-fröhliche Art wie etwa in Allan Dwans Stummfilm von 1922, in dem Douglas Fairbanks sich nicht erdrücken lässt von einer riesigen Schlosskulisse, sondern sie mit frechem Grinsen als Sporthalle nutzt: Geländer zum Rutschen, Treppen zum Fechten, Vorhänge zum Durch-die-Luft-Schwingen. In Michael Curtiz' prächtigem Robin-Hood-Farbfilm von 1938 übernimmt Errol Flynn diese Was-kostet-die-Welt-Attitüde, auch er ein gut gelaunter Abenteurer, der das Böse in ausgefeilten und oft tanzähnlichen Action-Choreografien besiegt.

Die naiven Zeiten des Abenteuerfilms sind dann vorbei, als Richard Lester 1976 "Robin und Marian" dreht. Sean Connery spielt den alt und melancholisch gewordenen Helden, der zwanzig Jahre nach den bekannten Ereignissen zurückkehrt von einem Kreuzzug und den ein innerer Zwang dazu führt, wider besseres Wissen seine eigene Legende noch einmal zu leben. Der immer noch starke, aber etwas schwerfällig gewordene Held führt sich nun nicht mehr als Hoppla-jetzt-komm-ich-Held in eigens für ihn gebauten Kulissen auf, er wird ins Freie und damit in den Realismus gestoßen. Und auch wenn der Regisseur seinen Robin Hood voller Respekt inszeniert, so ist sein Film doch ein Abgesang auf eine Legende, für die in modernen Zeiten eigentlich kein Platz mehr ist.

Trotzdem führt Kevin Costner 1991 als Robin Hood den Kampf weiter, an seiner Seite schon damals ein schwarzer Freund (Morgan Freeman) aus dem Morgenland. Der Regisseur Kevin Reynolds will ein bisschen alte Legende und ein bisschen Realismus, es kommt ein mittelprächtiger Film heraus, in dem ein pragmatischer Held brav Vorträge über die Vorzüge der Freiheit hält, sich ordnungsgemäß in Marian verliebt und pflichtbewusst den Sheriff von Nottingham erledigt. Mut hat dieser Robin. Was ihm fehlt, ist der Übermut. Genauso wie Russell Crowe als Robin Hood in der Version von 2010, in welcher Ridley Scott die Vorgeschichte des Helden erzählt. Crowe ist ein ernster Haudegen, ein schwerer Kerl in einem schweren Film, der sich über eine Art Klassenkampf und aus Bürgerkriegswirren heraus in einen ziemlich üblen Nationalismus hineinflüchtet. Robin Hood als Retter Englands – und erst jetzt bereit für seine legendären Taten.

Der neuste Robin: ein Desaster

Und wie schlagen sich innerhalb dieses Robin-Hood-Konvoluts nun der Regisseur Otto Bathurst und der junge Taron Egerton? Nun, dieser Held wirkt wie ein Teenie, der bloß mal spielen will. Und Bathurst wie ein fahriger Spielleiter, der seinen Film vollstopft mit Stilen, Motiven und Zitaten, aber nie etwas Eigenes findet. Da passt so gar nichts zusammen! Eine Orgie der Anachronismen. In der Architektur zum Beispiel begegnen sich das europäische Mittelalter mit seinen Kathedralen, das alte China mit seinen Holzbauten, oder der Frühkapitalismus mit seinen feuerspuckenden Schloten und windschiefen Slums. Die Kostümabteilung liefert ein Sammelsurium aus Steppjacken, Metallrüstungen und Arbeiter-Look, oder, was den Sheriff von Nottingham betrifft, einen grauen Gestapo-Ledermantel samt schwarzer Stiefel. Es ist der Wahnsinn, aber es hat doch Methode: "Die Designer der Filmsets und der Kostüme hatten Anweisung", so die Internet Movie Database, "alles zu einem Drittel historisch korrekt, zu einem Drittel zeitgenössisch-aktuell und zu einem Drittel futuristisch zu gestalten."

Nein, das spielt dann eben doch nicht im Überall, das spielt im Nirgendwo! Und es verschenkt auch all seine hastig hingeworfenen Anspielungen – von der Fremdenfeindlichkeit der Politik bis hin zum Missbrauch durch kirchliche Institutionen –, weil sie dramaturgisch ins Leere laufen. Man kann es nicht anders sagen: Dieser "Robin Hood", der im Übermaß am Computer generierte Bilder und Martial-Arts-Gefuchtel zusammenklumpt, der ansatzlos in seine Szenen hineinspringt und in dem die Figuren nie zu Charakteren werden, dieser "Robin Hood" ist ein Desaster. Er gehört in die Rumpelkammer des Action-Films. Sogar das Fachblatt "Hollywood Reporter", sonst auf ausgewogene Formulierungen bedacht, fordert für die Macher dieser Mittelalter-Verhunzung quasi mittelalterliche Strafe: "In einer gerechten Welt müsste jeder, der an diesem Schlamassel beteiligt war, öffentlich Buße tun." In Ridley Scotts "Robin Hood" heißt es am Ende: "So beginnt die Legende." Neun Jahre später, in Otto Bathursts "Robin Hood", sieht man: So endet sie.


Otto Bathursts "Robin Hood" ist ab Donnerstag, 10. Januar, in den deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie <link https: www.kino-zeit.de external-link-new-window>hier.


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