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Die Macho-Therapie

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Vor dreißig Jahren verlor in der Komödie "Overboard" eine reiche Zicke ihr Gedächtnis und musste in einem Proletarierhaushalt schuften. Im gleichnamigen Remake sind die Geschlechterrollen vertauscht – und der arrogante Playboy ist auch noch ein Latino.

Mit dem Jetski ausgelassen übers Wasser spritzen. Auf der Jacht Schampus, Schampus, Schampus saufen. Mit drei lachenden Langbein-Bikini-Girls im Luxusbett herumlottern. Jawohl, der reiche, verwöhnte und sehr von sich eingenommene Latino-Playboy Leonardo (Eugenio Derbez) bläst schon in den ersten Szenen der Komödie "Overboard" das Dolce-Vita-Klischee bis zum Platzen auf. Fehlt nur noch, dass er die Putzfrau schikaniert! Da steht sie auch schon vor ihm, schmal, blond und patent, eine hart arbeitende, für das Krankenschwesterexamen büffelnde und allein drei Töchter erziehende Mutter namens Kate (Anna Faris). Aber zu ihrer eigentlichen Arbeit lässt Leonardo sie gar nicht kommen, er schickt sie gleich in herrischem Ton los, ihm eine Mango zu besorgen. Kate jedoch hat keine Lust zu buckeln, sie liefert sich mit dem konsternierten Leonardo ein ruppiges Verbalduell ("Sie sind ein Arschloch erster Klasse!"), und der ist am Ende so sprach- und hilflos, dass er sie samt ihrem geliehenen Reinigungsgerät ins Wasser schubst. Doch auch Leonardo geht bald des Nachts und schwer betrunken über Bord und verliert das Gedächtnis. Woraufhin Kate ihn dreist als ihren Mann reklamiert und er nun für sie und ihre Familie schuften muss.

Rob Greenbergs "Overboard" ist das Remake einer gleichnamigen Komödie von Garry Marshall. Vor gut dreißig Jahren ließ der Pretty-Woman-Regisseur Goldie Hawn und Kurt Russell aufeinander los, damals aber war sie die arrogante Jachtbesitzerin und er der verwitwete Handwerker, der vier Söhne zu versorgen hatte. In beiden Filmen werden die Jachtbesitzer nach einer Amnesie einem rabiaten Umerziehungsprogramm unterworfen, das Remake aber erhält nun durch den Geschlechtertausch eine andere Note. Während die erste Fassung dieses Reich-und-Arm-Klassenkampfs noch misogyn grundiert war, der Subtext also von der erzwungenen und natürlich bejubelten Rückkehr einer Frau an den Herd erzählte, geht es nun, in den Zeiten von MeToo, um das Zurechtstutzen eines Machos, der erst seine Privilegien verlieren muss (und von dem auch noch Einsicht verlangt wird!), um vollgültig in den Frau-Mann-Kind-Haushalt aufgenommen zu werden.

Der Humor zieht ohne Umschweife blank

Trotz dieser Umwertung haben die meisten Kritiker die neue Version entweder als mittelmäßig abgetan oder ganz verrissen. Nein, auch in diesem Text soll "Overboard" keinesfalls zum Meisterwerk erklärt werden. Die Regie geht nämlich routiniert nach Bauplan vor, wenn dieser mal steht, bleiben Überraschungen aus. Es kommt also alles so, wie man es erwartet. Oder auch: wie man es will. Zwischentöne und andere Subtilitäten können und sollen sich in all dieser Übersichtlichkeit nicht einnisten, auch der Humor verlangt kein längeres Nachdenken, er macht sich quasi sofort frei. Eine robuste Fröhlichkeit ist hier am Werk, und wer es ganz lustig findet, dass eine protzige Jacht den Namen Birthday Present trägt, der kann beim "Overboard"-Gehen doch seinen Spaß haben.

Leonardo trägt übrigens ein Tattoo von Speedy Gonzalez, der schnellsten Maus von Mexiko, auf der Pobacke. Er ist, wie gesagt, ein Latino-Nichtsnutz und sein kranker Papa ein Milliardär, auf dessen Erbe die Töchter schon lange lauern. Sodass "Overboard" neben seinen Arm-und-Reich- und Mann-und-Frau-Gegensätzen auch noch das Thema USA und südliches Nachbarland bearbeitet. Beziehungsweise bewässert. Denn in diesem Film werden keine Mauern hochgezogen, es werden im Gegenteil die Grenzen verflüssigt. Im Wasser haben wir's gelernt, so könnten – in leichter Abwandlung deutschen Liedguts – Leonardo und Kate singen, die nicht nur unfreiwillig über Bord gehen, sondern sich am Ende auch im Meer freiwillig näherkommen.

Die Auflösung des Nord-Süd-Gegensatzes aber geht noch weiter. Unter Kates Freunden und Verwandten finden sich nämlich ganz selbstverständlich mehrere Latinos, die Pizza-Bäckereien oder Baugeschäfte betreiben, sich also gut eingelebt haben, ohne ihrer kulturellen Herkunft (Telenovelas gucken!) ganz abzuschwören. Ein bisschen südliches Temperament, ein bisschen südliche Lebenslust tun dem Land gut, so lautet die Botschaft. Und auch Leonardo, nachdem er sich als vermeintlicher Ehemann und Familienvater an sein anstrengendes Kochen-Putzen-Kinder-Erziehen-und-auch-noch-als-Maurer-Geld-Heranschaffen-Programm gewöhnt hat, wird zum guten, also mexikanischen US-Amerikaner. Wobei das in gewisser Weise auch auf den Leonardo-Darsteller Eugenio Derbez ("Plötzlich Vater", 2013; "How to be a Latin Lover", 2017) zutrifft, der in Mexiko und vielen anderen spanischsprachigen Ländern längst ein Star ist und nun auch in den USA (und deshalb auch bei uns) einer werden könnte.

Zu Beginn chargiert Derbez hier noch hemmungslos als narzisstisch-eitler Sack, geht quasi ganz auf in einer brachialen Klamotte. Und wird dann, als sich sein Leonardo an sein "neues" Leben gewöhnt und es sogar lieben lernt, ganz charmant, ja, er erinnert mit seinem nun ein bisschen melancholischen Lächeln sogar an Marcello Mastroianni, der sich in Filmen wie "Die Puppe des Gangsters" ja auch als vor keinem Klamauk zurückscheuender Komödiant zeigte. In "Overboard" arbeitet, nein: schuftet Derbez alias Leonardo sich schließlich in sein Glück. Dass er dabei die Entscheidung zwischen Geld oder Liebe treffen muss, danach aber auf augenzwinkernd unverschämte Weise ein Sowohl-als-auch-Ende geschenkt bekommt, versteht sich in einem solchen Film von selbst.

 

Info:

Rob Greenbergs "Overboard" kommt am Donnerstag, den 14. Juni in die deutschen Kinos. Welches Kino in Ihrer Nähe den Film zeigt, <link https: www.kino-zeit.de external-link-new-window>finden Sie hier.


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