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Schuhe schmeißen mit Thomas D

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Thomas D von den Fantastischen Vier ist einer der bekanntesten Popstars Deutschlands. In der vergangene Woche waren die Kult-HipHopper zum Release ihres neuen Albums "Captain Fantastic" im Stuttgarter Club Wizemann. Im Gespräch mit Stefan Siller erzählt der "Hausmeister", warum er sich eine Welt ohne Religion wünscht. Und wie man für Kinderrechte eintreten und gleichzeitig Werbung für Nike machen kann.

Es ist Donnerstag, kurz vor elf im Stuttgarter Wizemann, die Fantastischen Vier werden am Abend ihr neues Album "Captain Fantastic" präsentieren. Heimspiel. Draußen steht der SWR mit Kamerateam, im ersten Stock links vom Treppenhaus warten Journalisten mit Mikros und Aufnahmegeräten, rechts vom Treppenhaus wartet Kontext und eine Redakteurin der "Freundin", die sich entweder im Raum oder der Zeit verirrt hat. Zwischendrin spurtet eine Managerin hin und her – "Dauert noch kurz, sorry! Nehmt euch 'ne Brezel, wir müssen noch kurz 'nen Aufsager machen fürs Radio. So, jetzt aber! Thomas kommt gleich!" Und tatsächlich, da kommt er durch die Tür, der Thomas Dürr, alias Thomas D, mittlerweile stolze 49 Jahre alt, hüpft die Treppe runter, federt, quatscht, die Laune: bestens. "Schön, mal wieder daheim zu sein, da fällt man sofort ins Schwäbische zurück", sagt er. Kontext steckt das Mikrophon an, Stefan Siller nimmt schon mal mit sichtlicher Vorfreude im schwarzen Ledersessel Platz, die Frau aus der Maske pudert den Hausmeister nochmal kurz, und los geht's.

Herr Dürr ist heute unser Gesprächspartner, besser bekannt als Thomas D, der Musik macht mit den Fantastischen Vier, solo und manchmal mit anderen befreundeten Künstlern. Aber nicht nur das, und da muss ich jetzt ablesen, weil es so viel ist: Er lebt auf dem Mars, in der Kommune "Moderne Anstalt Rigoroser Spacker", engagiert sich für Kinderrechte und Tierschutz und gegen Diskriminierung und ist Pate für junge Dichter und Denker, moderiert "Wissen vor acht – Natur", macht Werbung für Nike und Telekom. Hallo Thomas, hab' ich was nicht erwähnt?

Logo: Siller fragt

Alle Folgen von "Siller fragt" gibt's hier.

Ne, nichts vergessen, Sachen eben, die mir am Herzen liegen. Ja, so kann man's sagen: Macht, was ihm am Herzen liegt.

Ich hab' neulich ein aktuelles Interview mit deinem Bandkollegen And.Ypsilon gelesen, da sagt er: "Wenn wir mal politisch werden sollten, müsste schon viel Negatives im Land passieren." Ist "Endzeitstimmung" kein politisches Lied?

Na, ich finde schon, dass es eines der politischsten Lieder ist, die wir jemals gemacht haben. Wenn du Kunst machst, möchtest du nach Möglichkeit die Menschen im Herzen berühren. Große Gefühle überdauern die Zeit, ein Lovesong wie zum Beispiel 'Sie ist weg'. Ein politisches Statement tut das selten. In dreißig Jahren wäre es schön, wenn man sagen würde: "Hä, was ist diese Flüchtlingskrise, von der der da spricht? Was wollten diese rechten Supermongos?" Meistens meiden wir die tagespolitischen Themen, aber in diesem Fall haben wir gedacht: Scheiß drauf. Manchmal musst du dir auch erlauben, einen Nagel reinzuhauen, weil es gerade brennt.

Ja, manchmal muss man sich auch sagen, "scheiß drauf". Aber euer Song hat schon was Endzeitstimmungsmäßiges.

Naja, also zu jeder Zeit hätten die Menschen wahrscheinlich gesagt: "Alder, so schlimm wie jetzt war's noch nie." Andererseits: Je mehr es brennt und je mehr uns die globalen Probleme betreffen, desto eher wird der Mensch vielleicht umlenken und sich bewusst, was er an dieser Welt hat. Sag' mal, haben sie nicht erst, als Trump gewählt wurde, die Weltuntergangsuhr von fünf vor zwölf auf zwei vor zwölf umgestellt? Alder, drei Minuten einfach mal so!

Ist ja gut, dass es Leute gibt, die das machen. Das sind anerkannte Wissenschaftler, die sollte man schon ein bisschen ernst nehmen.

Unbedingt. Aber ich empfinde die Stimmung aktuell nicht als Endzeitstimmung. Vor allem nicht in Deutschland. Woanders auf der Welt ist für viele Leute wirklich Ende. Es ist wichtig zu zeigen, wir sind eine Gemeinschaft hier. Als Fans, als Menschen, wegen mir als Deutschland, als Europa und die Welt. Das ist eine laute Aussage, die eigentlich mehr über ein stilles Gefühl spricht. Über das Unauffällige und für mich eigentlich selbstverständlich Zwischenmenschliche.

Auf dem neuen Album heißt es, es wär 'ne "wunderschöne Welt ohne Religion". Das hat ja auch schon John Lennon gesungen: "Imagine there's no heaven".

Thoams D

Foto: Joachim E. Röttgers

Thomas D ist 1968 in Ditzingen nordwestlich von Stuttgart geboren und Mitglied von Deutschlands erfolgreichster HipHop-Band Die Fantastischen Vier. Erster Auftritt: am 7. Juli 1989 in Stuttgart-Wangen, auf einer Bühne aus Europaletten. Zu ihren bekanntesten Songs gehören unter anderem "Die da!?!", "Sie ist weg" und "MfG – mit freundlichen Grüßen". Thomas D lebte lange vegan, heute vegetarisch, hat mit Bela B von den Ärzten Goethes Faust vertont und bekam 2013 den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg verliehen für sein Engagement gegen Rassismus und für den Tierschutz. Am 27. April erscheint "Captain Fantastic", das neue Album der Fantastischen Vier. (ana)

Ich weiß noch, wie ich als Kind gedacht hab: Oh Gott, der spricht von einer ganz schlimmen Welt. Kein Himmel? Um dann später zu kapieren, das wär' die Befreiung. Genau das ist die Versklavung: die Macht der Religion. Wie der Mensch den Glauben benutzt, und wie wir manipuliert werden durch die Drohungen von Hölle und Paradies. Was wären wir ohne Religion? Vielleicht freie Geister.

Religion sei halt immer dogmatisch, sagt Stefan Siller, das sei schon bei George Busch so gewesen, als Gott ihm geflüstert habe, er müsse jetzt gegen den Irak einen Krieg anfangen. "Was willste da noch sagen?", fragt Thomas D und kichert laut, dann kiekst er mit verzerrtem Gesicht: "Das hat dir der Teufel gesagt!" Und lacht sich schlapp.

Wofür steht "Captain Fantastic", der Albumtitel?

Für den Spirit der Fantastischen Vier. Den guten Geist einer Freundschaft unter vier Männern, die seit fast dreißig Jahren währt. So wie die "Macht" bei Star Wars. Aber wir wollten kein Album machen, auf dem wir sagen: Wir sind die Guten und das sind die Bösen. Das ist doch die eigentliche Misere. Immer kommt einer und sagt: Ich hab recht. Entweder ihr steht auf meiner Seite, oder ich mache euch platt. Die Existenz des Helden bedingt die Existenz des Schurken, das ist das Gleichgewicht der Welt.

Muss man dann auch mit der AfD, mit Rechtsradikalen reden?

Hat sich Xavier Naidoo auch gefragt, als er auf der Montagsdemo aufgetreten ist.

Naja, das war ja kein Miteinander-Reden, das hab ich eher als Reden für die Darstellenden empfunden.

"Jaja, das geht ganz schnell", sagt Thomas D und seufzt laut. Gerade Unterschiede machen ja die Menschen aus, sagt er. "Und trotzdem sind wir eine Welt. Ok, außer man glaubt, die Welt ist flach. Aber selbst dann, sind wir alle auf dieser einen Scheibe."

Bekommst du manchmal vorgehalten, dass du dich nur für Kinder- oder Menschenrechte einsetzen würdest, weil du dich als guter Mensch profilieren willst?

Schwer zu sagen. Ich bin ja selbst nicht nur ein guter Mensch. Letztens sollte ich für Peta einen Abschiedsbrief an die Milch schreiben. Und obwohl ich selber keine Milch trinke, habe ich wochenlang überlegt, wie ich das mache. Kuhmilch für Kuhkinder! Kann ich voll unterschreiben. In der Milch, die wir am Tag aus Kühen rauspressen, ist Eiter, sind Antibiotika, wuuh, ja, ein erwachsener Mensch braucht keine Milch. Aber: Da hängt Käse dran, Quark, Butter und so weiter. Auch wenn alle immer denken, ich sei Hardcore-Veganer, der sich nur von herabfallendem Obst ernährt – nein, verdammt nochmal! Ich esse auch mal ein Käsebrot. Und solange ich das noch mache, kann ich nicht sagen, trinkt keine Milch. Es wäre nicht real gewesen. Wenn sich etwas nicht echt anfühlt, mach ich's nicht.

Anfang des Jahres hatte er eine vegane Phase, erzählt er. "Meine Werte waren alle top. Aber Leute, ich hab so furzen müssen. Meine Familie hätte das keine zwei Wochen mehr ausgehalten." Jetzt ginge es ihm aber wieder gut. "Und den Menschen um mich rum auch."

Du machst auch Werbung. Warum?

Wenn die Idee gut ist und die Kohle stimmt, dann sag ich nicht nein.

Aber du würdest nicht alles machen, oder?

Nein, sagt Thomas D. Aber manchmal fände er auch Dinge ganz geil, die nicht alle so geil finden. Autofahren liebt er, "muss ich leider sagen", und es gebe auch Sachen, die er einfach gut findet und benutzt, "dann kann ich mir auch vorstellen, dafür Werbung zu machen."

Du hast für Nike Werbung gemacht. Kommt Nike ohne Kinderarbeit aus?

"Das würde ich nicht unterschreiben", sagt er. Und grinst verschmitzt. "Aber es war nur meine Stimme, nicht mein Körper. Ja, scheiße. Wer frei von Sünde ich, der werfe den ersten Schuh!" Und dann schmeißt er einen seiner Nikes hinter sich in die Ecke des Raums.


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1 Kommentar verfügbar

  • ernst beutel
    am 02.04.2018
    Antworten
    Schwachsinniger Aufguß,uninterresanter Bericht.Werbung für Kohle.Ein Vorbild.
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