KONTEXT:Wochenzeitung
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Die Opposition bin ich

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Der Konstanzer Theaterintendant Christoph Nix hat sich immer wieder mit der Politik angelegt. Aber so laut wie aktuell hat es noch nie gescheppert. Die Geschichte eines Mannes, der gerne Krawall macht. Weil Haltung im Zweifel wichtiger ist als Karriere.

Der Weg von der Hölle ins Paradies kann in Konstanz sehr kurz sein. Christoph Nix etwa braucht dafür gerade mal drei Minuten zu Fuß. Paradies heißt der Stadtteil, in dem der Konstanzer Theaterintendant wohnt. Das mit der Hölle muss man erklären. Von Nix aus gesehen liegt sie nur 500 Meter Luftlinie vom Paradies entfernt – im Konstanzer Rathaus. Hier regiert der frühere Manufactum-Manager und jetzige OB Uli Burchardt (CDU), zu dem Nix ein, nun ja, eher rustikales Verhältnis pflegt. Das Klein-Klein der Kommunalpolitik und die wirtschaftsliberale Haltung dort sind dem Theatermann höllisch suspekt. Erst vor wenigen Tagen hat er dem Oberbürgermeister indirekt vorgeworfen, er verkaufe ganz Konstanz.

Es ist wohl kein Zufall, dass Nix, nach einem langen Tag mit Sitzungen und Diskussionen in eben jenem Rathaus, auf dem Weg nach Hause auf Höhe der evangelischen Lutherkirche kurz inne hält, mit der Hand durch die wieder lang gewordene graue Haarmähne streicht und sagt: "Ich bin müde." Zwar hat er gerade wieder einmal einen schon verloren geglaubten Kampf doch noch in seinem Sinne gedreht. Wie ein Gewinner sieht er in diesem Moment trotzdem nichts aus. Es ist ein Mittwochabend in Konstanz, am nächsten Tag beginnt die Fasnacht und ein großes Narrenstück ist soeben zu seinem vorläufigen Ende gekommen. Was ist passiert?

Christoph Nix ist seit 2006 in Konstanz, sein aktueller Vertrag läuft noch bis 2020. Danach sollte Schluss sein. Nix wäre dann 63 Jahre alt. Er könnte in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Seit ein paar Wochen ist aber klar: Christoph Nix hat noch nicht genug, er würde gerne ein Jahr länger die Geschicke der Konstanzer Bühne lenken. Das wiederum hielt eine Mehrheit im Gemeinderat für keine gute Idee. In einer geheimen Abstimmung lehnten 24 Räte die Verlängerung ab, nur 13 waren dafür. Alles sah nach einer empfindlichen Niederlage für den streitlustigen, aber in eigener Sache stets sensiblen Theatermann aus. Nun kommt es womöglich doch anders. Weil sich Nix gegen diese Niederlage gestemmt hat.

Es lief wie ein Uhrwerk: Nach dem Bekanntwerden der Nicht-Verlängerung melden sich prominente Fürsprecher des Intendanten zu Wort. Der amerikanische Dramatiker Neil LaBute zum Beispiel oder der Kabarettist Serdar Somuncu. Sie äußern Unverständnis über die Entscheidung. Es folgen empörte Leserbriefe in der Lokalzeitung "Südkurier" und bedauernde Kommentare beim Online-Magazin "seemoz".

Obligatorischer Eiergrößenvergleich

Auch die Theaterfreunde, ein Unterstützerkreis des Hauses, kritisiert das Votum gegen Nix öffentlich. Im Internet startet eine Petition für den Verbleib des Theaterintendanten und in einer Pressemitteilung stellen sich die Theatermitarbeiter hinter ihren Chef. Das griff alles so fein ineinander, dass mancher eine gesteuerte Kampagne dahinter vermutete. Nix bestreitet das. Die Dinge hätten sich einfach so ergeben, erklärt er.

Vor allem die Petition (1235 Menschen haben bislang unterschrieben) ermutigt ihn aber, die für ihn schmerzliche Niederlage im Gemeinderat nicht einfach hinzunehmen. Nix schaltet in den Kampfmodus. Und wer ihn so schon mal erlebt hat, der weiß, dass das für seine Gegner nichts Gutes heißt. Nix kann gnadenlos sein.

Das musste jetzt auch der Konstanzer Kulturbürgermeister Andreas Osner (SPD) erfahren. Als Reaktion auf die Nicht-Verlängerung seines Vertrages sagte Christoph Nix die für 2019 geplanten Baden-Württembergischen Theatertage ab. Begründung: Ein solches Großprojekt sei unmittelbar vor dem Ende einer Intendanz nicht zu stemmen. Der Kulturbürgermeister Osner zeigte sich öffentlich irritiert über diese Absage und pochte auf Einhaltung. Bis Nix in einer weiteren Pressemitteilung erklärt, dass Osner gewusst habe, dass die Theatertage gefährdet seien, wenn der Vertrag des Intendanten nicht verlängert werde. Er habe dies seinem Vorgesetzten vor Wochen in einem Brief geschrieben. Die Pressemitteilung gipfelt schließlich darin, dass Nix seinem Chef vorwirft, die Unwahrheit zu sagen und Kompetenzen überschritten zu haben. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, ob es noch um die Sache geht oder ob es nicht viel mehr ein Streit zwischen zwei Männern ist, die darum ringen, wer denn nun die dickeren Eier hat. So viel sei verraten. Andreas Osner wird es am Ende nicht sein.

"Wir arbeiten an einem Kompromiss", sagt der Kulturbürgermeister inzwischen. Wie der aussehen soll, verrät er nicht. Aber es deutet sich an, dass der Theaterintendant zumindest ein paar Monate länger bleiben darf und dafür dann auch die Landes-Theatertage in Konstanz stattfinden. Die öffentlichen Anfeindungen lässt Osner unbeantwortet. "Für so etwas habe ich keine Zeit. Da gibt es wichtigere Themen", sagt er. Er wolle lieber nach vorne blicken. Und überdies: "Herr Nix leistet ja großartige Arbeit am Theater."

Das Stadttheater als APO

Dieses vorläufige Ende – der Gemeinderat wird abschließend darüber beraten – sagt viel über die Wankelmütigkeit der Politik in Konstanz. Aber auch etwas über den Menschen Christoph Nix. Geboren wurde er 1956 in der hessischen Kleinstadt Ehringhausen, sein Vater starb früh, was ihn sein Leben lang prägen wird. Sein Ringen um Aufmerksamkeit, seine Suche nach Zuneigung haben auch darin ihre Wurzeln. Konflikte gehören für den Juristen Nix zum Leben dazu. "Der Konflikt ist für uns am Theater etwas Normales, weil die Menschen Konflikte haben. Es ist nur die Frage, wie sie damit umgehen", sagt er.

Dass er Auseinandersetzungen nicht scheut, konnte man in den vergangenen Jahren oft erleben: Als sich Mitarbeiter über Führungsstil und Arbeitsbedingungen beschwerten, sollte ein Ombudsmann vermittelnd eingreifen. Eine Inszenierung über den Völkermord der Türkei an den Armeniern musste unter Polizeischutz stattfinden. In einer theatereigenen Zeitschrift warf der Intendant der Konstanzer Rathausspitze in einem unter Pseudonym verfassten Beitrag unter anderem Ideenlosigkeit vor. Im Streit um das Traditionskino Scala war Nix einer der Wortführer der Bürgerinitiative, die sich gegen die Schließung wehrte und die hiesige Stadtentwicklungspolitik scharf kritisierte.

Bisweilen konnte man das Gefühl haben, dass Christoph Nix das Stadttheater zu einer Art außerparlamentarischer Opposition ausgebaut hat. Wenn man ihm das sagt, dann freut sich der 61-Jährige und feixt: "Einer muss den Job ja machen." Man kann das gockelhaft finden. Aber in einer Stadt, in welcher der Oberbürgermeister versucht, seine Kritiker entweder mundtot zu machen oder sie so lange zu umschmeicheln bis sie seiner Meinung sind, ist Opposition wichtiger denn je. Fragt man Nix danach, weshalb er immer wieder mit der Politik aneckt, dann verweist er auf sein Theaterverständnis: "Sie können linkes Theater machen in Stadttheatern wie viele andere Intendanten. So lange Sie alle in der Stadt in Ruhe lassen, in der Sie selber leben, ist alles okay. Aber wenn Sie die Frage stellen, wem welche Immobilien hier gehören und wer wie an die Immobilie herangekommen ist, dann haben Sie ein Problem. Aber das ist ein Teil meines Theaterkonzeptes: Die Wahrheit ist konkret, die großen Dinge wollte ich immer herunterbrechen."

Im Zweifel geht Haltung vor Karriere

Zur Wahrheit gehört auch: Christoph Nix hat gerne recht. Das kann die Zusammenarbeit mit ihm schwierig machen. Es gibt Leute, die mit Nix gearbeitet haben und das nie wieder tun würden. Auf der anderen Seite gibt es viele Nix-Fans, die immer wieder seine Nähe suchen. Sein Ruf in der Branche ist ambivalent. Dass seine Kompromisslosigkeit ihm manchmal vor allem selbst geschadet hat, weiß der 61-Jährige nur zu genau. Als er Intendant am Staatstheater Kassel war, hat er beispielsweise einen Artikel in der "Frankfurter Rundschau" publiziert über die unerotische Rolle von Kulturdezernenten. "Damals hat mir auch ein Dramaturg gesagt, damit sei klar, dass ich nicht verlängert würde. Aber wenn ich aus diesem Motiv heraus es dann gelassen hätte, dann hätte ich meine Ehre vor mir selber verloren", beschreibt Nix sein Dilemma. Im Zweifel geht bei ihm die Haltung auch vor der Karriere. Gibt nicht viele im deutschsprachigen Theaterbetrieb, die da so klar sind.

Seine Unerbittlichkeit ist ja nur eine Seite. Christoph Nix kann auch ein sehr mitfühlender Mensch sein. Als erster Intendant im deutschsprachigen Raum hat er die Mindestgagen für Schauspieler auf 2000 Euro gehoben. Kollegen in Notlagen hilft er, wenn es irgend möglich ist, er kann Menschen auch eine zweite Chance geben und sein Herz öffnen. Er ist nicht nur der Menschenfänger, für den ihn viele halten, sondern ernsthaft an dem anderen interessiert.

Seine künstlerische Bilanz in Konstanz kann sich sehen lassen. Nix hat dem Haus überregionale Aufmerksamkeit verschafft, er hat das Haus in der Stadt verankert, es bietet solide Stadttheaterkunst mit mehr Ausreißern nach oben als nach unten.

Weshalb die aktuelle Entwicklung auch Züge von Tragik trägt. Denn eigentlich könnte so ein wirbelnder Widerspruchs-Geist der trägen Konstanzer Seele nur gut tun. Dass Nix in der Wahl seiner Mittel selten diplomatisch war, hat ihm im konfliktscheuen Konstanzer Politikbetrieb aber geschadet. Die Entscheider in der Stadtpolitik sind ihres Intendanten überdrüssig geworden. Sie wirken erschöpft von all den Reibereien der vergangenen Jahre. Hinter vorgehaltener Hand sagen Stadträte, dass es sich im aktuellen Streit jetzt nicht lohne, wegen eines Jahres einen großen Streit zu riskieren. Also werden sie Nix wohl noch einmal geben, was er will. Damit danach endlich Ruhe ist, wie so mancher hofft.

Nix selbst taucht jetzt erstmal ab. "Fahre in die Berge mit meiner Frau", sagt er auf dem Heimweg nach diesem langen Konstanzer Tag zwischen Hölle und Paradies. Ob er wirklich noch etwas länger Intendant bleiben darf, ob die Baden-Württembergischen Theatertage doch noch nach Konstanz kommen, das entscheidet der Gemeinderat am 22. Februar. Bis dahin dürfte Christoph Nix wieder erholt sein. Für seine Gegner ist das keine gute Nachricht.


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1 Kommentar verfügbar

  • Schwa be
    am 15.02.2018
    Antworten
    Anständige (unangepasste) Menschen mit hehren Zielen wie Christoph Nix in exponierten Positionen sind selten geworden und machen sich heutzutage durch ihren Mut zu Außenseitern/Exoten indem sie dem neoliberalen politischen Mainstream und dessen Lakaien/Emporkömmlingen (oft Vorgesetzte) Paroli…
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