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Eckensee darf bleiben

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Die Stuttgarter Interimsoper wird nun doch nicht im Oberen Schlossgarten gebaut, sondern im Paketpostamt im Rosensteinpark. Könnte das sogar zur Dauerlösung werden?

Die SPD ist umgefallen, und das ist gut so! Nein, nein, es geht hier nicht um das Thema Große Koalition, es geht um den kleinen Stuttgarter Eckensee im Oberen Schlossgarten. Die Zornigeren unter uns werden sich erinnern: Eine Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat hatte sich dafür ausgesprochen, die eigentlich schon abgelehnte Überbauung der Wasserfläche erneut auf die Agenda zu setzen. Weil die Oper am Eckensee saniert werden soll, in der Umbauzeit eine Interimsspielstätte benötigt wird und die Intendanz nicht aus dem Zentrum hinaus ziehen wollte, sah es eine Zeitlang so aus, als wäre diese parkvernichtende Beschlagnahmung öffentlichen Raums beschlossene Sache. Die Proteste gegen diesen Plan, den der BUND als gefährlich für das Stadtklima einstufte, blieben jedoch nicht aus.

Eckensee vor der Stuttgarter Oper

Finger weg vom Eckensee

Ausgabe 336, 06.09.2017
Von Rupert Koppold

Die Stuttgarter Oper soll mit riesigem Aufwand saniert werden, eine dreiste Kulturlobby will für eine Interimsspielstätte den Eckensee überbauen. Der parkzerstörende Vorschlag wurde schon mal abgeschmettert. Nun tischen ihn die üblichen Verdächtigen wieder auf.

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So kam es also, dass die vorher kompromisslos für die Eckenseeüberbauung eintretende SPD plötzlich auch ans Stuttgarter Klima denken wollte, Ende Oktober umfiel und dem grobklotzigen Vorschlag die weitere Unterstützung entzog. Der Eckensee ist also gerettet. Inzwischen hat der Verwaltungsrat entschieden, dass während der Sanierung des alten Littmann-Baus der Opernbetrieb im Paketpostamt am Rosensteinpark weitergehen soll. Und siehe da! Auf einmal ist ein Umzug aus dem Zentrum heraus nicht nur möglich, sondern eine prima Sache. Der Intendant Mark-Oliver Hendriks hält das Paketpostamt, das allerdings noch operntauglich hergerichtet werden muss, für den "bestmöglichen Interimsstandort", für "inspirierend", für "unbeschwert und frei". Und auch für so groß, dass der Bedarf der Oper "fast 1:1 vom Littmann-Bau hierher übertragen" werden könne.

Wieviel die Umgestaltung des Paketpostamts zur Interimsoper kosten wird, wann sie spieltauglich ist und für wie lange sie dies sein müsste, ist freilich noch nicht geklärt. Die unbestätigte Rede ist von 55 Millionen Euro, als Beginn der Interimsspielzeit wird 2020/21 genannt. Die extrem aufwändige Sanierung des Littmann-Baus am Eckensee sollte zunächst fünf Jahre in Anspruch nehmen und bis 2025 beendet sein. Inzwischen heißt es jedoch, sie könne frühestens 2023 beginnen. Die Oper im Paketpostamt darf sich also auf eine lange Interimszeit einstellen. Beziehungsweise: auf eine lange Interimszeit freuen. Denn nicht nur die Intendanz ist des Lobes voll, auch die Sängerin Stine Marie Fischer hat bei einer Akustikprobe von diesem Ort geschwärmt.

Bei so viel Euphorie fragt man sich unweigerlich: Wäre die Oper am Rosensteinpark auch als Dauerlösung geeignet? Und könnte im Gegenzug der Littmann-Bau – für einen Bruchteil der unkalkulierbaren, in jedem Fall jedoch immensen Sanierungskosten – zu jenem Konzertsaal werden, den Stuttgart sich schon lange wünscht? OB Fritz Kuhn will solche Gedankenspiele verhindern. Man müsse von Anfang an kommunizieren, so erklärte er der "Stuttgarter Zeitung", dass es sich "nur um ein Übergangsgebäude" handle, das abgerissen werde, sobald Stuttgart 21 fertig sei und das Rosensteinquartier entwickelt werde. Was bei richtiger Interpretation der neuen Zahlen des in jedem Sinne unterirdischen Bahnhofsprojekts wohl heißt: Das neue Operngebäude bleibt bestehen.


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