Andreas Konrad hält nichts davon, Flüchtlinge zu kasernieren und von der Gesellschaft abzuschotten. Er möchte die "Integration in der Gesellschaft schon vom ersten Tag an ermöglichen". Er kann sich durchaus vorstellen, auf den obligatorischen Stacheldrahtzaun zu verzichten, der vorgeblich dem Schutz der Flüchtlinge dient, nach außen hin aber suggeriert, dass von ihnen eine Gefahr ausginge. Denn: "Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Wahl eines Gebäudes und der Akzeptanz, Duldung oder Ablehnung der darin lebenden Personen." Konrads Analyse deckt sich mit derjenigen der Architektenkammer Baden-Württemberg, deren Präsident Markus Müller kürzlich einen "Perspektivenwechsel in der Flüchtlingsunterbringung" gefordert hat.
"Zuwanderung hat Tradition", stellt Müller fest. In der Tat hat die Zahl der Neuankömmlinge zwar akut stark zugenommen: Bereits im Juli war das Niveau des Vorjahrs erreicht, Tendenz steigend. So viele waren es zuletzt nach der Wende um 1990, als jährlich bis zu 90 000 so genannte Spätaussiedler und 50 000 Asylsuchende, vorwiegend aus den Balkanländern, nach Baden-Württemberg kamen. Doch auch vorher hat es eine beständige Zuwanderung gegeben: Der Zuzug der "Gastarbeiter" war ökonomisch gewollt. Dass sie nach getaner Schuldigkeit in ihre Heimatländer zurückkehren sollten, erwies sich als weltfremd.
Aus Sicht der Wirtschaft, die nach qualifizierten Arbeitskräften und Auszubildenden sucht, sind die heutigen Migranten ebenfalls erwünscht. Im Vergleich zur Nachkriegszeit sind es immer noch wenige: So soll die Stadt Esslingen bis Ende des Jahres 2015 ungefähr 900 Flüchtlinge aufnehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste sie zeitweise 6000 Letten sowie dauerhaft 17 000 deutsche Ostvertriebene unterbringen.
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Die Antwort war Wohnungsbau. "Das Problem der Flüchtlingsunterbringung deckt strukturelle Defizite des Wohnungsbaus auf", sagt der Präsident der Architektenkammer. Was fehlt, sind preisgünstige Wohnungen: Die Zahl der Rentner mit niedrigen Einkommen wird bald sehr stark zunehmen. Dazu kommen Studierende und Zuwanderer: "Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum wird also dramatisch steigen. Dem steht ein strukturelles Defizit im Wohnungsangebot gegenüber." Wie Müller feststellt, "laufen die derzeitigen Finanzierungsmodelle für den sozialen Mietwohnungsbau ins Leere". Er betont: "Der Markt wird es nicht richten."
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Kalle
am 18.09.2015