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WM-Übertragung im TV

Blackout für die Nische?

WM-Übertragung im TV: Blackout für die Nische?
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Die Fernsehrechte an der Weltmeisterschaft der Fußballfrauen sind noch nicht vergeben. Auf der Suche nach einer Lösung holt sich unser Autor Inspiration in der Schweiz.

Wenn Du mit der Eisenbahn aus der Schweiz zurück nach Deutschland fährst, dann hast Du so lange kein Problem, wie die Deutsche Bahn außen vor bleibt. Denn in der Schweiz eisenbahnmäßig alles tiptop, Züge stehen eigentlich immer pünktlich und sauber zum Einsteigen bereit. Und wenn es auch mal nur drei Minuten Verspätung gibt, dann ist der Unmut groß. Alles minutengenau abgestimmt: Einstieg, Umstieg – und wenn der Schweizer um 13:32 Uhr zum Zug muss, dann steht er um 13:24 vom Lunchtisch auf, denn acht Minuten dauert der Fußweg zum Bahnhof. In meinem Fall musste der Schweizer von Zürich nach Bern zur Arbeit an der dortigen Universität, wo Wissen Werte schafft, wie sie in einem durchaus netten Filmchen zeigen. Zum Glück für ihn musste er nicht in die andere Richtung. Denn in Basel beginnen die Probleme. Da willst Du möglicherweise in den deutschen ICE steigen – der kommt aber mit so viel Verspätung, dass sie ihn gar nicht erst bis zum Bahnhof Basel SBB lassen, sondern ihm sagen, er möge doch in Basel Badischer Bahnhof umkehren. "Halt entfällt" heißt das dann in Deiner Bahn-App, und wie zu hören ist, heißt es das ziemlich häufig.

In der Schweiz übrigens nicht nur die Bahn, sondern auch vieles andere tiptop, vor allem die Preise. Die sind sogar derart obszön ganz oben – also on top quasi – dass Du regelmäßig mit den Ohren schlackerst vor Schreck. Andererseits muss man selten anstehen, kaum Gedränge, denn wo es was gibt, ist es ja so teuer, dass es sich kaum eines mehr leisten kann. So teuer alles, dass selbst eine nach eigenen Angaben "Privatbank für vermögende Kundinnen und Kunden" im Besitz der Fürstenfamilie von Liechtenstein mit 287,2 Milliarden Franken verwaltetem Kundenvermögen ihre mittleren bis oberen Kader in Zürich nicht im Schweizerhof oder Park Hyatt oder sonst was au Lac übernachten lässt, sondern im – wait vor it – Motel One, wo sie dann nächtens an der Bar mit großer Geste und wenig Trinkgeld die Gin Tonics fließen lassen. Sic transit gloria mundi, sagte der, die oder das Lateiner wohl dazu. "So vergeht der Ruhm der Welt."

Gefeilsche und Geschrei

Nicht, dass wir auf den dicken Nacken der Bank mitgefeiert hätten, gab ja nix zu feiern, denn der VfB Stuttgart war just an jenem Abend aus dem DFB-Pokal ausgeschieden, und ich konnte das Spiel nicht mal im TV mitverfolgen. Nur heimlich, weil in Reihe eins einer Veranstaltung im Zürcher Volkshaus sitzend, immer mal im Ticker auf dem Handy geschaut. Quasi Vorgeschmack auf die Fußball-WM der Frauen im Sommer in Australien, für die der Schweizer FIFA-Boss Infantino ja bekanntlich mit einem "Blackout" droht, sollten die um die Übertragungsrechte bietenden Fernsehsender nicht ordentlich noch ein paar Schippen bzw. Millionen drauflegen auf ihre bereits abgegebenen Angebote.

Da ist das Geschrei natürlich schon im Vorfeld groß, und Nationaltorhüterin Almuth Schult sagt dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" völlig zu Recht, das wäre im Vorfeld einer Männer-WM niemals so passiert. "Die Rechte werden mehr als ein Jahr vorher vergeben, die Sendepläne stehen. Wie soll eine Sendeanstalt innerhalb von wenigen Wochen ein Team von Hunderten Mitarbeitern aufstellen, um ein Turnier am anderen Ende der Welt zu übertragen? Viele Angestellte hängen in der Luft, ob sie im Sommer vier Wochen an einem festen Projekt arbeiten, vielleicht sogar Stadt oder Land für diesen Zeitraum wechseln müssen. Verträge können nicht unterschrieben und ausgehandelt werden. Eine katastrophale Situation."

Gleichzeitig sollte man davon ausgehen, dass am Ende eine Lösung gefunden wird. Dass ein Kompromiss gefunden wird zwischen den wahrscheinlich stark übertriebenen Forderungen der FIFA und den genauso wahrscheinlich viel zu niedrigen Angeboten der TV-Sender. Wenn die FIFA (Rechteinhaber) ihr Produkt nicht billig verkaufen will, dann ist das ihr gutes Recht. Genauso dürfen die Sender natürlich versuchen, möglichst wenig bezahlen zu müssen, auch wenn im Falle unserer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten derartiges Gefeilsche all den wohlfeilen Forderungen der eigenen Mitarbeitenden nach Equal Pay im Frauenfußball (immer gerne garniert mit der alten Kaffeeservice-Geschichte für die Europameisterinnen von 1989) diametral zuwiderläuft.

Einigung in Sicht

Im Falle der aktuellen WM kommt aber erschwerend hinzu, dass die Spiele in Australien und Neuseeland zwischen 2 und 14 Uhr deutscher Zeit angepfiffen werden. Die Einschaltquoten bei den Live-Übertragungen werden also nicht einmal ansatzweise an die der letzten Europameisterschaft in England heranreichen. Und das wissen auch die Sponsoren, die das Ganze ja nun mitfinanzieren sollen. Also wird es jetzt noch ein paar Tage oder Wochen Unruhe, Schlagzeilen und eine gewisse Hektik geben, bevor man sich dann schließlich einigt – dergestalt, dass Sponsoren, Rechteinhaber und TV-Sender halbwegs zufrieden sind. Denn immerhin steht schon im kommenden Jahr die Europameisterschaft der Männer in Deutschland an – und da soll ja dann wieder richtig Kohle fließen. Ob die organisierten Fußballfrauen mit dieser Lösung auch zufrieden sein werden, darf bezweifelt werden. Aber die sollten sich – wie hier schon häufiger geschrieben – ohnehin überlegen, zukünftig ihr eigenes Ding zu machen.

In der Schweiz, wo Wissen Werte schafft, da gibt es zwar auch noch lange kein finanzielles Gleichgewicht zwischen Männerfußball und Frauenfußball. Equal Pay: Fehlanzeige. Frauenfußball eher noch mehr Nische als bei uns in Deutschland, da kann die Schweizer Profifußballerin Alisha Lehmann noch so viele Follower auf Instagram haben. Aber wenn Du lieber eine Frau wärst als ein Mann oder lieber ein Mann als eine Frau, dann kostet Dich das lediglich 75 Franken und einen wenig aufwändigen Gang aufs Amt. Da sind sie uns um mindestens eine Penislänge voraus, die Eidgenossen (m/w/x). Da darf auch ein angesehener Ökonom wie Bruno S. Frey per Meinungsbeitrag in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 3. Mai fragen, warum man nicht das gefühlte Alter (statt des tatsächlichen) ebenso frei wählen und eintragen lassen kann wie das Geschlecht. Denn wenn, wie Frey schreibt, eine Idee nicht zuerst als absurd erscheint, dann taugt sie nichts. Zumindest habe das Albert Einstein so gesagt. Auf Deutschland übertragen hieße das, nach zehn Jahren FC Bayern wird jetzt Borussia Dortmund deutscher Meister. Aber ein solches Szenario wäre wohl selbst für Albert Einstein allzu absurd gewesen.


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