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Datenskandal beim VfB

Danke, MV!

Datenskandal beim VfB: Danke, MV!
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Zehntausende Mitgliederdaten sollen beim VfB Stuttgart an Dritte weitergegeben worden sein. Und siehe da: Erstmals zeigt Präsident Claus Vogt die strahlend weißen Zähne nicht als Gute-Laune-Bär. Unser Kolumnist kann dazu sogar Schiller zitieren, dank eines Vorgängers im Amt.

Gebannt starren wir tagein, tagaus gleich morgens auf die Zahlen: Neuinfektionen, Inzidenz, Übersterblichkeit, die Pandemie ist überall. Eltern denken plötzlich in der Schule der Kinder quer, weil sie Schiffmann, Wodarg und sonstwen gesehen haben und jetzt allen Ernstes behaupten, die Kinder könnten "unter der Maske sterben". Dann natürlich Trump, der Ewige, noch immer beschreiben ihn die Medien hierzulande mit ganz normalen Begriffen, ebnen ihn ein, den Wahnsinn, messen ihn und seine moralfreie Bande mit den gleichen Maßstäben wie alle anderen. Wie bitteschön soll man sich da auf Sport konzentrieren? Wo soll man die Empörung her-, wie den Aufschrei hinbekommen wegen der permanenten Affären der Vereine und Verbände, wo man doch längst abgestumpft ist nach dem Motto: Wer Wolfgang Dietrich und Reinhard Grindel hatte, wer oder was soll den noch beeindrucken?

Nun war ja grade Länderspielpause, Bundesligaspiele fanden nicht statt, und die Bemühungen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Herren in Test- und Nations-League-Spielen interessieren mittlerweile eh keine Sau mehr. Fast so mau das Interesse an der "Mannschaft" wie am Frauenfußball, kürzlich war es hier noch Thema. Nischenthema höchstens. Gleichberechtigung der eher unschönen Art, so weit ist es gekommen.

Vielleicht, um trotzdem in den Medien, im Gespräch zu bleiben, produzieren die Herren der Schöpfung in kurzen Abständen größere und kleinere Eklats. Der DFB, größter nationaler Sportverband der Welt, ist quasi Inbegriff der sportverbandgewordenen Skandalnudel. Auch der VfB Stuttgart als größter Sportverein Baden-Württembergs, diesem nach Bayern gefühlt permanent zweitbesten aller Bundesländer, tut seit ein paar Jahren schon das Seinige, um nicht nur in Trainerverschleißtabellen, sondern auch in Fragen schmutziger Wäsche ganz oben mitzuwaschen. Wobei abseits von Fragen nach Schuld und Verantwortlichkeit ganz generell natürlich festzustellen ist, dass alles umso schmutziger wird, je mehr Geld ins Spiel kommt.

Beim VfB früher, da hat der Mayer-Vorfelder, kurz MV, ein paar Unternehmer aus dem Freundeskreis abends in die Weinstube "Kiste" gebeten, Stuttgart Charlottenplatz, Einheimischen ein Begriff, und erst wenn alle die Bürgschaft namentlich unterschrieben hatten, durfte nach Hause gegangen werden. Und konnte der eigentlich zu teure Spieler gekauft werden. Vetterleswirtschaft beim Viertele, aus heutiger Sicht wie Folklore wirkend. Heute ist Ausgliederung, ist Aktiengesellschaft, da fliegen die Euromillionen im Zehnerpack durch die Gegend, ein Wolfgang Dietrich hat keine Zeit mehr für Folklore, alle Mittel sind recht.

Da soll Berater und Mopsbesitzer Schlittenhardt zwischen 2016 und 2018 mit persönlichen VfB-Mitgliederdaten versorgt worden sein, um die Ausgliederung in gewünschte Bahnen zu lenken. Gut bezahlt das Ganze, 200.000 pro Jahr seien locker drin gewesen, keiner an Bord, der hinterfragen würde. Es kommt ja schließlich warm raus hier. Und fast alle heute noch da, außer Wolfgang Dietrich. Natürlich viele nicht begeistert davon, dass Vogt, der Fan-Präsident, sie in der Datenmissbrauchsaffäre kalt erwischt hat mit externen Ermittlern.

Was soll das, Gute-Laune-Bär, warum fragst du uns nicht?, fragen die Alten. Auffällig schon jetzt das Gebaren des Vereinsbeirats unter Vorsitz des alten Seilschafters Wolf-Dietrich Erhard, der gleich mal meint, bestimmte Personen in ein Gremium entsenden zu müssen, wo er doch gar nichts zu entsenden hat. Genauso wenig wie das Gremium namens Lenkungsausschuss zwingend irgendwas zu lenken hat, denn gelenkt wird aus Berlin, von der von Vogt beauftragten Anwaltskanzlei Esecon, und von Stefan Brink wohl auch, des Landes höchster und des Bundes vielleicht schärfster Datenschützer.

Und wer hat jetzt das Ganze losgetreten, wer leakt hier Mails und steckt die Infos durch zum "Kicker"? Ist Mao Hitz am Start, sich unliebsame Gegner nun vom Hals zu schaffen, ist etwa Schlittenhardt der Treiber, den eignen Namen gerne in der Presse lesend? Im Hintergrund auch Eitel Roland unterwegs, so oft die Front gewechselt wie ein Söldner einst im 30-jähr'gen Krieg?

Wir wissen's nicht, wir wissen ohnehin nicht viel. Doch sind wir traurig nicht, wenn bald den Schraft es reißt, den Sprecher dort, der alle Kellerleichen noch mit Namen kennt. Und eins ist klar: So wie beim DFB wird auch in Stuttgart bald der eine oder andere Text erscheinen, Esecons zu schmähen und zu schwächen wohl, mit wahren oder wen'ger wahren Dingen. Nur wundern sollte uns das nicht, viel besser ist's, genau dahin zu schauen, aus welcher Ecke die Kritik ertönt.

Der Gute-Laune-Bär hat alle überrumpelt, der freundliche Mann vom Verein mit seinen zwei halben Mitarbeitern treibt jetzt die Herren der AG sowie Frau Miriam Schimmele (Ex-Mitarbeiterin von Dietrich und Stefan Mappus), die angeblich immer noch auf der Payroll steht, mit externen Ermittlern vor sich her, die Routine haben, dahin zu schauen, wo das große Geld lieber das Licht ausgeschaltet lassen würde. So steht er – und Sie mögen mir die Anleihe beim berühmten Compadre Schiller verzeihen beziehungsweise bei dessen "Maria Stuart" beziehungsweise dort beim Monolog der Elisabeth im vierten Akt, genau auf Seite 141 der kleinen gelben Reclam-Ausgabe –, so steht er also quasi kämpfend gegen eine Welt, ein wehrlos Mann mit hohen Tugenden. Und strahlend weißen Zähnen fast wie Klopp.

Der Mayer-Vorfelder ist übrigens schuld daran, dass ich das noch so genau weiß, der kultusministerielle Mayer-Vorfelder, um genau zu sein. Denn als der noch in Amt und Würden war, da wurde auswendig gelernt in der Schule. Kleineres Pausenvergehen – zack, Strafarbeit. In meinem Falle war's der Monolog der Elisabeth, ca. 1984 gelernt, bis heute Teile davon noch im Kopf. Danke, MV!


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