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Meine rechtsfreien Räume

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Dieser Tage ist alles ganz aufgeregt wegen der rechtsfreien Räume. In den USA heißen die etwas vornehmer No-go-Areas oder im Jargon der Biodeutschen "national befreite Zonen". In solchen Ostzonen sollte sich dann niemand mit einem Palästinensertuch, Rasta-Locken oder dunkler Haut blicken lassen. Meine rechtsfreien Zonen liegen weniger im Schanzenviertel, sondern mehr in Untertürkheim, in der Abteilung Versuch beim Daimler oder luftlinienmäßig 2000 Meter weiter westlich bei Porsche. Sie liegen in der Hohenheimer Straße und am Neckartor, just dort also, wo geltendes Recht mit Finesse und Billigung von oben permanent gebrochen wird und der Feinstaub – wohl bekomm's – zuerst in den Lungen und dann an städtischen Mooswänden aufgefangen wird. Mitten in der Stadt und wie in Hamburg werden, so gesehen, Tote und Kranke billigend in Kauf genommen.

Rechtsfreie Räume gibt's faktisch gleich nebenan. Sie entstehen bei Tageslicht etwa dann, wenn Milliarden Euro auf der Flucht vor dem Fiskus ins Bermuda-Drei-Eck, auf die Caymans, nach Irland oder Luxemburg fliehen. Mit diesem Geld könnte man in jeder deutschen Stadt eine Elbphilharmonie, einen Flugplatz und einen unterirdischen Bahnhof bauen, jedes Jahr, von den Schulen, Kindertagesstätten oder Lungenheilanstalten ganz zu schweigen. Rechtsfrei ist da wiederum, dass das Personal oft mehr als mies behandelt wird, jenseits der guten Sitten, vom Lohn über die Arbeitszeit bis hin zum Druck auf Magen und Seele. Gotteslohn für Seelenschmerzen.

Nun reden wir nicht über Mietwucher, Ausbeutung von Frauen und Kindern, von Hilflosen, Flüchtlingen, Emigranten, von Menschen, die in elenden Buden jenseits allen Rechts vegetieren. Wir reden nicht von tausend legalen Tricks, mit denen der Hastewas den Bistenix rechtsfrei über den Tisch zieht. Wir reden nicht vom Aufgreifen von Menschen auf offener See und ihrer gewaltsamen Rückführung in die ausgebeutete Heimat – das ist ja lediglich eine Umgehung von Gesetzen. Denn wie viele Flüchtlinge, die ein Recht auf Asyl hätten, schon zurückgeschickt wurden, weiß niemand. Vielleicht wäre es ja eine Lösung, verdeckte Ermittler auf die Spur der deutschen Dienste zu setzen, um heraus zu finden, in wie vielen rechtsfreien Räumen BND, Verfassungsschutz oder MAD leben und arbeiten? Von den rechtsfreien Räumen unserer Nato-Partner reden wir andermal.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.


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1 Kommentar verfügbar

  • bye-the way
    am 24.07.2017
    Antworten
    Lieber Peter, das ist kein Rechtsstaat, in dem wir leben... Das ist doch seit dem 30.09.2010 spätestens glasklar ersichtlich!
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