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Sofadeutsche

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Unglaublich, aber wahr: Vor exakt 75 Jahren haben wir sie richtig überrascht, sagen die Historiker. Am 22. Juni 1941 eröffneten wir in einer umfassenden Bewegung auf breiter Front zwischen Ostsee und Karpaten den Krieg gegen die offensichtlich nicht auf den Überfall vorbereitete Sowjetunion.

Der deutschen Wehrmacht standen für den propagierten "Kreuzzug Europas gegen den Bolschewismus" 153 Divisionen mit knapp über drei Millionen Soldaten, 3600 Panzern und 600 000 Motorfahrzeugen zur Verfügung – und die 600 000 Mann (auch Frauen) aus den verbündeten Staaten Ungarn, Rumänien, Finnland, der Slowakei und Italien. Das sollten alle im Hinterkopf haben, die dieser Tage Frank-Walter Steinmeier überfallen, weil der Sozi die in Mode gekommenen Truppenaufmärsche an den Ostgrenzen kritisiert. Tut mir leid: Säbelrasseln und Kriegsgeheul erinnert unsereins nun mal fatal an die alten Kameraden. So viel zur verdrängten jüngeren Geschichte.

Womit wir bei den jüngsten Geschichten sind. Rom, so sagen die Auguren, wurde doch nicht an einem Tag erbaut! Und außerdem sei die Stadt unregierbar. Landeinwärts und landauswärts stimmen meine Leitmedien diesem Urteil zu, um gleich ganz klar zu sagen, dass die mit fast zwei Dritteln der Stimmen gewählte junge Bürgermeisterin Virginia Raggi überhaupt gar kein Konzept habe, um Rom zu regieren. Na, dann ist ja alles gut – es bleibt alles beim Alten und antik. Der Papst kann sich auf neue Nachbarschaften freuen und vermutlich auch über Chiara Appendino, die das Turiner Rathaus eroberte. Sie ist 31 Jahre alt, deutlich jünger als meine Omi Glimbzsch in Zittau. Die jungen Frauen sind die neuen Sahnehäubchen der Fünf-Sterne-Bewegung, bei der alle Leute, ohne auch nur hinzuschauen, ganze Haarbüschel in der Suppe finden. Die römische Rechtsanwältin Raggi hat sich übrigens im Wahlkampf vehement gegen die Ausrichtung Olympischer Spiele 2024 in der italienischen Hauptstadt gewandt: Die Mafia wird Sturm laufen.

Eine dritte Volksbewegung reichte sich am Wochenende in Deutschland die Hände: Gegen Rassismus usw. usf. Die Daheimgebliebenen stellten am Montag fest, dass da zwischen Berlin und München, Hamburg und Freiburg viel zu wenig Leute auf den Straßen waren – gerade mal 40 000, im ganzen Land. Richtig. Richtig ist aber auch, dass die Bessergestellten immer schon zu Hause blieben: Sofadeutsche.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.


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5 Kommentare verfügbar

  • Horst Ruch
    am 27.06.2016
    Antworten
    ......nur nach vorne blicken, nie mit den Schmuddelkindern spielen. Die NATO das wirkliche TTIP-Europa, das aus den USA gesteuerte Programm, zur wundersamen Geldvermehrung.
    Kaiser Wilhelm war mit Krupp&Co zwar auch schon ohne Amerika 1914 aktiv, und davor, und davor, aber....
    Obwohl Peter …
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