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Protest!

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Wenn zum 6. Juli 2015 um 20 Uhr die sächsische Stadt Freital ins Stadtkulturhaus zur Einwohnerversammlung einlädt, dann will man unter sich bleiben, auch wenn Freital weltoffen ist, wie der Oberbürgermeister glaubt. Thema ist die Flut, also Asyl. Einlass erhalten aus gutem Grund und nach einer Ausweiskontrolle nur Freitaler Bürgerinnen und Bürger, Ton- und Filmaufnahmen sind nicht zugelassen. Selbst beim besten Willen könnten ja eh nicht alle kommen, denn der Kultursaal fasst mit Biegen und Brechen 650 Leute – bei rund 40 000 Einwohnern reicht der eh nicht.

Aus der Beteiligung an den letzten freien Wahlen weiß man aber, dass die Bürgerbeteiligung so oder so unter 50 Prozent liegt. Den Freitalern brennen die Flüchtlinge auf den Nägeln wie den Griechen der Euro: Fast 900 Ausländer sind schon da, weitere 250 drohen in die Stadt mit ehedem sozialdemokratischem Profil einzufallen. Allein in den letzten beiden Jahren erhöhte sich der Ausländeranteil von 2,16 auf 2,33 Prozent.

Das kann nicht gut gehen. Die Angsthasen unter den Freitalern, die schon ganz andere Hochwasser mit Gewinn überstanden haben, rieten den schwindenden deutschen Einwohnerschaft: "Kauft euch Hunde, bringt Frauen und Kinder in Sicherheit!" Aber wohin? Anderswo ist es noch weitaus schlimmer: In Meißen beträgt der Ausländeranteil weit über 3,5 Prozent – dort wurde am letzten Wochenende vorsorglich eine Asylbewerber-Unterkunft angezündet – halt, halt, nicht so voreilig – das Haus war ja noch unbewohnt!

Dagegen führte die öffentlich gestellte Frage, ob nicht "jemand auf den Tank vom Bus schießen" kann, zu keinem Ermittlungsergebnis. Erstens hatte ja niemand auf den Tank geschossen, und zweitens wurden auch keine Ermittlungen geführt. Vorsorglich wurden die Bewohner des Flüchtlingsheims allerdings aufgefordert, die Fenster und Türen zu schließen – Fenster kennen die ja noch aus besseren Zeiten in Aleppo oder Damaskus, auch wenn die inzwischen längst ausgeschossen sind. Die paar Böller, die da flogen, können nicht mal Flüchtlingskinder schrecken. Und die könnten Ihnen Sachen erzählen – unglaublich! Aber wahr. Da hat's meine Omi Glimbzsch in Zittau geradezu fürstlich: Ausländeranteil 1,37 Prozent, Wessis und Studierende allerdings nicht mitgerechnet. "Glückliches Sachsen, nimm freundlich den Fremden mir auf", wie Erich Honecker oft sang.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die Anstifter.


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