KONTEXT:Wochenzeitung
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Glück gehabt

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... haben jene 3113 Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts, die in diesen Tagen nach sieben Jahren gehört wurden. Sie erhielten eine freundliche, freilich abschlägige Antwort auf ihre Eingabe an den Petitionsausschuss des Bundestags. Man hat sie gehört, aber nicht erhört in ihrem impertinenten Wunsch, Stuttgart 21 zu stoppen. Das wäre ja auch noch schöner! Alles Große und Gescheite, meinte Goethe, existiert nur in der Minorität, und die hat bekanntlich verloren.

Nur sieben Jahre warten?, tät meine Omi Glimbzsch in Zittau fragen. Sie hat 40 Jahre auf den Sozialismus gewartet, und was war? Nischte! Es gibt Kriege, die dauern zehn, ja 100 Jahre – was sind da lächerliche sieben Jahre im Lande des Gehörtwerdens? Und Glück ist nur die anderen Seite der Pech-Medaille, denn nach sieben Jahren haben etliche der 3113 Petenten das Zeitliche gesegnet.

Die Vereinten Nationen, die sich gern selbst ins Unglück reiten, haben eben ihren Glücksbericht veröffentlicht. Danach leben in der Schweiz die glücklichsten Menschen der Welt. Natürlich sind dort nicht alle glücklich – die Schweiz ist schließlich nicht das Himmelreich auf Erden, allenfalls für Steuerschieber wie die von der Deutschen Bank. Aber selbst die hatte ja erfreulicherweise Pech. Natürlich will der Glücksbericht der UN die Leute nicht hinters Licht führen – etwa durch die Feststellung, dass Deutschland nur auf Platz 26 im Glücksbericht steht und es sich also kaum lohnt, hierher zu fliehen.

Von nichts kommt nichts: Ziel des Glücksrankings soll sein, Regierungen zu einer besseren Politik zu bewegen. Stärkster Ausdruck der Unzufriedenheit sind denn auch soziale Unruhen und nicht geglückte Revolutionen. Der "World Happiness Report 2015" weiß aber auch, dass Wirtschaftswachstum, Eigentum und Geld nur sehr begrenzt zufrieden machen, aber Teilen glücklich macht.

Wichtig sind stabile Beziehungen, Nachbarschaft, Gesundheit, sinnstiftende Tätigkeiten. Selbstentfaltung und Mitbestimmung sind zentrale Faktoren. Es gibt einen unmittelbaren positiven Zusammenhang zwischen sozialem Verhalten und Lebenszufriedenheit. So macht Kooperation weit glücklicher als Konkurrenz und Statusstress. Pech, dass dies alles im krassen Gegensatz zur hochproblematischen Wirtschafts- und Wachstumspraxis steht – und kein Wunder, dass Griechenland den letzten Platz im Glücksranking einnimmt.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die Anstifter.


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1 Kommentar verfügbar

  • Insider
    am 30.04.2015
    Antworten
    Wenn ein älterer Herr mit 78 Jahren noch so aktiv für KONTEXT sein kann, ist dies auch ein Glück. Weiter so!
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