Auch die AfD-Europaabgeordnete Irmhild Boßdorf schickte mindestens eine Tochter zu den "Fahrenden Gesellen" und deren Frauenbund. Später beteiligte sich diese Boßdorf-Tochter – wie viele andere Rechtsbündische – an Aktionen der "Identitären Bewegung". Als "Jugend ohne Migrationshintergrund" greifen die "Identitären" gerne auf den bestens geschulten Nachwuchs rechter Bünde zurück. Sie gelten ebenso als Kaderschmieden für die AfD.
2008, Brilon im Sauerland: Fotos vom "Bundestag" der "Fahrenden Gesellen" und dem "Mädelwanderbund" zeigen zwei junge Frauen, die zu einem befreundeten Bund gehören, der rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend". Diese wurde ein Jahr später wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit und NS-Wesensverwandtschaft vom Bundesinnenministerium verboten. Zu Gast in Brilon waren zwei Töchter von Gernot Mörig, dem Organisator des "Geheimtreffens" in Potsdam, über das "Correctiv" im Januar 2024 berichtete und damit Massenproteste gegen rechts auslöste.
Zucht und Ordnung
Völkische ziehen im politischen Hintergrund die Fäden. Edda Schmidt, ein NPD-Urgestein aus Bisingen im Zollernalbkreis, gründete den "Sturmvogel – Deutscher Jugendbund" 1987. Sie war Schriftleiterin der 1994 verbotenen paramilitärischen "Wiking-Jugend eV. – Volkstreue Nordländische Jugendbewegung Deutschlands". Ihre Kinder und Kindeskinder, erzählt sie gerne, seien alle "im nationalen Lager". Gekleidet in ein gelbes Dirndl mit Puffärmeln hielt Schmidt 2010 einen per Video aufgezeichneten Vortrag, in dem sie Dinge sagt wie "die Frau" habe "die Aufgabe der Wahrung von Zucht und Ordnung", von ihr hänge "der Fortbestand eines Volkes, aber auch seine Qualität ab", sie sei "Bewahrerin des rassischen Erbes". Schmidt betont: "Es ist für uns ganz besonders wichtig, unser Blut reinzuhalten." Edda Schmidt, die beim Neonazi-Aufmarsch in Dresden im Februar 2025 als Rednerin auftrat, stammt aus einer bekennenden NS-Familie, ihr Vater Sepp B. war Mitglied der verbrecherischen SS und Referent der baden-württembergischen NPD.
Schmidts "Sturmvogel" wurde gemeinsam mit anderen rechtsextremen Bünden wie dem "Freibund" (ehemals "BHJ – Bund Heimattreuer Jugend") oder der "Deutschen Gildenschaft" 2013 vom 100. Jubiläum des "freideutschen Jugendtages" am Hohen Meißner in Nordhessen von den nichtrechten Bünden und Pfadfinderschaften als "völkischer Flügel der Jugendbewegung" markiert und ausgeschlossen. Aus Protest organisierten die abservierten Bünde im selben Jahr eine eigene Meißner-"Fahrt", eine Wanderung, die von der Burg Ludwigstein zum Berg Hoher Meißner führte.
Mit dabei war nicht nur der aus Ravensburg stammende Spiritus rector der sogenannten Neuen Rechten, Götz Kubitschek, der seine Töchter zum "Freibund" schickte, sondern auch sein Freund Peter Felser aus dem Allgäu. Der war früher Mitglied bei den "Republikanern", sitzt heute für die AfD im Bundestag und dort als Mitglied im Ältestenrat. Felsers Tochter war 2013 zehn Jahre alt, als ihr Vater sie bei der beschwerlichen "Meißner-Fahrt" auf den Schultern trug. Die kleine Tochter berichtete in der Zeitung "Idee und Bewegung", Nr. 104 vom Dezember 2013, über das Erlebte und wird dort als Mitglied des "Deutschen Mädelwanderbund" angeführt "Wir bauten unsere Kohte auf und kriegten eine Wurstsemmel in dem kalten Burghof, wo der Wind rein bläst. (…) Endlich kamen wir am Feuer an, das brannte aber noch nicht. Es kamen noch Erzählungen von den früheren Zeiten, aber endlich konnte ich mich am entzündeten Feuer wärmen und die Kleider halbwegs trocknen", berichtet die Kleine – es klingt nach harten Bedingungen für Kinder. In den Folgejahren schloss sich Felsers Tochter dann einem weitaus radikaleren Bund an, dem nationalsozialistischen "Jungadler", der ebenfalls in Baden-Württemberg aktiv ist.
Der "Jungadler"
Ende Dezember 2023 mieteten sich rund 40 überwiegend junge Menschen für ein Winterlager im Freizeitheim in Geislingen am Kocher im Kreis Schwäbisch Hall ein. Das uniformierte und militärähnliche Auftreten des "Jungadlers" sowie deren Fahnensymbol, eine Art Sonnenrad mit fünf Spiralarmen, erregten den Argwohn von Anwohnern. Einer filmte heimlich einen Fahnenappell, andere riefen die Polizei.
Obwohl Beamte des Polizeipräsidiums Aalen eine Jugendgruppe in Begleitung von Betreuern antrafen, die "vermutlich ein völkisches Weltbild" vertraten, wurde nichts unternommen. Straftaten seien nicht festgestellt worden. Kein Wunder, oft wissen Beamte wenig über die völkische Lebenswelt.
Die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" und das ARD-Magazin "Kontraste" berichten 2025 darüber, dass die Berliner Staatsanwaltschaft dem Verdacht nachgeht, ob unter dem Namen "Jungadler" die berüchtigte, verbotene HDJ weitergeführt wird – was illegal wäre. "Die HDJ zählte zu den radikalsten Neonazigruppen in Deutschland, bis zu ihrem Verbot 2009 indoktrinierte sie Kinder und Jugendliche in der Freizeit nach dem Vorbild der Hitlerjugend", warnt "Die Zeit": "Man stellte ihnen Adolf Hitler als 'Held unserer Geschichte' vor, malte ihnen Hakenkreuze in die Gesichter, ließ sie in Uniform zu Fahnenappellen antreten und unterrichtete sie in 'Rassenkunde'."
Der "Jungadler" beschreibt sich in einem Dokument als "kleinerer, aber dafür schneidiger Jugendbund". Über die Treffen ist kaum etwas bekannt. Beim Durchblättern interner Schulungsdokumente aber tauchen in der Hitler-Zeit gefeierte Dichter wie Georg Stammler oder der NSDAP-Kulturfunktionär Herbert Böhme auf. Spuren des konspirativen "Jungadler" führen zu Familien in Baden-Württemberg, deren Namen führend in der paramilitärischen "Wiking-Jugend" waren.
2 Kommentare verfügbar
-
Antworten
Danke für die Recherche zu den Völkischen.
Kommentare anzeigenWaldemar Grytz
vor 4 StundenIn diesem Zusammenhang sei auf FARN (Fachstelle Radikalisierungsprävention im Naturschutz) hingewiesen.
Die von den Naturfreunden Deutschland und mit öffentlichen Mitteln geförderte Fachstelle berät vor Ort und mit Publikationen u.a. zu den Themen…