Nach ein paar Minuten die erste positive Nachricht: "Die Gefangene möchte ausgelöst werden", sagt der Mann an der Anmeldepforte hinter der Glasscheibe. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Geld zu übermitteln. Entweder in bar, dann lässt die Justizvollzugsanstalt (JVA) die Gefangenen direkt frei, oder per Überweisung. Letzteres kann allerdings Zeit in Anspruch nehmen und ist daher unsicherer.
Meryem G., 36 Jahre alt, mittlerweile wohnungslos, sitzt wegen Schwarzfahren im Gefängnis. Eigentlich wäre sie bis zum 5. Januar dortgeblieben, denn sie selbst hat keine finanziellen Mittel, ihre Geldstrafe zu bezahlen. Pantisano erklärt, dass es ein Gespräch der Linken-Fraktion mit dem Freiheitsfonds gab. Die Initiative befreit deutschlandweit Menschen, die wegen Fahren ohne Fahrschein im Gefängnis sitzen. Die Forderung ist, die in Paragraf 265a festgeschriebene Straftat im Strafgesetzbuch abzuschaffen. "Das ist ein in der Nazi-Zeit gemachtes Gesetz, das ist schon bezeichnend", sagt Luigi Pantisano.
Der Freiheitsfonds legt Formulare in Gefängnissen aus, mit denen Häftlinge Hilfe beantragen können. In Berlin liegen sie direkt am Eingang. Zu Gefängnissen in Baden-Württemberg und Bayern sei der Kontakt schwierig, sagt Nora Nolle, Pantisanos Pressesprecherin. Die Linken haben alle JVAs in Baden-Württemberg angeschrieben, aber nur Freiburg, Stuttgart und Schwäbisch Gmünd hätten sich gemeldet. Den Kontakt zu den Gefangenen zu vermitteln, sei Aufwand für die Mitarbeiter:innen der Haftanstalten. Daher brauche es auch dort Menschen, die den Freikauf für eine gute Sache halten, ihn für sinnvoll erachten.
Doch in Schwäbisch Gmünd hat es geklappt. Meryem G. hat den Antrag des Freiheitsfonds ausgefüllt und eingewilligt, dass die Partei die Kosten übernimmt. Zunächst war die Überlegung, sie am 27. November freizukaufen, dem sogenannten Freedom Day der Initiative Freiheitsfonds. "Aber nee", sagt Pantisano. An diesem Tag sollen zwar möglichst viele Menschen, die aufgrund von Schwarzfahren im Gefängnis sind, befreit werden. Doch das hätte weitere 19 Tage Haft für die Frau bedeutet.
In Deutschland sitzen ungefähr 9.000 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe ab, weil sie im ÖPNV ohne Ticket erwischt wurden und die Strafen nicht zahlen konnten. Jeder Hafttag kostet viel Geld. Im Fall von Meryem G. spart der Staat nun 12.000 Euro.
"Rein geht's schnell, aber raus ist schwer"
Um 9.30 Uhr tritt Meryem G. aus der schweren, dicken Gefängnistür. G. sieht fit aus. Und sie ist aufgebracht. Ihre Haare sind zu einem hohen Zopf zusammengebunden, sie trägt einen dunkelblau-türkisfarbenen Trainingsanzug, blaue Nike-Schuhe, ein Piercing unterhalb der Lippe und ein Tattoo auf der Hand mit dem Geburtsdatum ihres Kindes. Über ihrer Schulter hängt eine beige Handtasche, in der Hand hält sie eine knallrote Stofftasche. Das ist ihr ganzes Hab und Gut, alles was sie besitzt. Ihr Koffer ist verlorengegangen, "meine ganzen Papiere sind weg, zum Beispiel meine Steuer-ID und Geburtsurkunde." In den nächsten Tagen wird sie sich um die bürokratischen Dinge kümmern und eine Wohnung suchen.
3 Kommentare verfügbar
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Luigi Pantisano setzt hier ein klares Signal für Menschlichkeit und gegen den fatalen und destruktiven Trend des nach unten tretens .
Kommentare anzeigenRainbow-Warrior21
vor 5 StundenDas sollte Schule machen, besonders bei den gewählten Vertreter*innen der anderen demokratischen Parteien !