Fabian flüchtete mit der Verwandtschaft in die Tschechoslowakei, wo sie in Bodenbach nahe an der Grenze zu Deutschland lebten. "Meine Erinnerungen an diese Zeit sind naturgemäß sehr vage", sagt Fabian. Der Tag, an dem sich alles änderte, hat sich dagegen tief in sein Gedächtnis eingebrannt. Am 14. September 1938 saßen sie am Mittagstisch, da kam der Vater in heller Aufregung hereingerannt. Die Deutschen starteten ihren Einmarsch ins Sudetenland. Fabian, damals viereinhalb Jahre alt, war bestürzt, aber verstand nicht, was los war. In seinem Alter war "das Mittagessen natürlich viel wichtiger als alles andere, egal wie weltbewegend es auch sein mag", schreibt er in seiner Biographie. Er erinnert sich an ständig wechselnde Verstecke, die Willkür der nationalsozialistischen Judenverfolgung und an Staaten, die Flüchtende zu "Nicht-Personen" erklärten, sodass diese über viele Monate ihre Zeit damit verbrachten, "vertrieben zu werden, illegal in ein Land wieder einzureisen, dann festgenommen und wieder vertrieben zu werden".
Am 15. März 1939 marschierten die Nazis in Prag ein, wo die Fabians zwischenzeitlich unterkommen waren, und die Situation der Jüdinnen und Juden verschlechterte sich auch im Exil immer weiter. "Ich konnte die volle Tragweite der Geschehnisse damals natürlich nicht richtig einschätzen," sagt Fabian, "aber ich kann mich genau an die Kolonnen von Soldaten, Lastern und gepanzerten Fahrzeugen auf den Straßen erinnern. Beim bloßen Anblick der arrogant auftretenden deutschen Militärmaschinerie lief es mir kalt den Rücken runter. Ich spürte die Verkörperung des Bösen vor mir." Drei Jahre gelang es ihm und seiner Familie, den Klauen des NS-Regimes immer wieder zu entkommen. Im November 1942 aber wurden auch sie deportiert.
Diensteifrige Sadisten mit speziellen Hobbys
"Aus mir wurde einfach Nummer CC988", erinnert sich Garry Fabian. Theresienstadt, erbaut als Garnison, war ursprünglich auf 3.500 Menschen ausgelegt. In der Zeit als Konzentrationslager war dort mehr als das Zehnfache an Personen untergebracht. In anderen Dörfern und Städten ließen sich um diese Zeit Milch- und Brotkarren beobachten, die von Pferden und Eseln gezogen wurden. In Theresienstadt wurden die Karren von Menschen gezogen und transportierten Leichen – das war ein alltäglicher Anblick, den Fabian beschreibt. "Es stimmt, dass Hunger der beste Koch ist", sagt er. "Und es ist besonders wahr, wenn man gerade verhungert." Sogar Suppe, die in Wahrheit eher schmutziges Wasser war, und anderes Essen, "dessen Ursprung man nicht erforschen wollte", schmeckt dann "wie die Götterspeise Ambrosia und man kann die nächste Mahlzeit gar nicht abwarten". Der Achtjährige erkrankte in rascher Folge an Masern, Windpocken und Keuchhusten. Aber irgendwie überlebte er. Eine große Ausnahme: Von den 15.000 Kindern, die seit 1941 nach Theresienstadt deportiert wurden, erlebten nur etwa 150 das Kriegsende.
Über seine Geschichte sagt Garry Fabian, dass sie keineswegs außergewöhnlich sei, und dass viele Jüdinnen und Juden noch weitaus größere Grausamkeiten erlitten haben. Er betrachtet es als Verpflichtung für die Überlebenden des Holocausts, für die sechs Millionen zu sprechen, die es selbst nicht mehr können. Für die Verbrechen der Väter, Mütter und Großeltern will er nicht die Söhne, Töchter und Enkel in Haftung nehmen, sagt er in Stuttgart. Aber nicht nur müssten die Erinnerungen an den historischen Verlauf wachgehalten werden, der zum industrialisierten Massenmord an Millionen von Menschen geführt hat. Wenn es ein Fazit aus seinen Erfahrungen gebe, dann, dass es "wichtig ist, von den schrecklichen Ereignissen der Vergangenheit eine Brücke zu schlagen hin zu einer hoffentlich besseren Zukunft, in der so etwas hoffentlich nie wieder vorkommt".
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