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Cannabis-Legalisierung

Gras dem Kapital

Cannabis-Legalisierung: Gras dem Kapital
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Helmut Höge ist wohl der dienstälteste Kiffer der taz, Erfahrung: um die 50 Jahre. Eigentlich interessiert er sich nicht für Drogen, nur für deren Wirkung. Dass die neue Bundesregierung bald Cannabis legalisieren möchte, findet er nicht gut. Ein Gespräch über Pfannkuchen, Soja und die bevorstehende Kapitalisierung von Marihuana.

Lieber Helmut, endlich Kiffen für alle! 

Du findest, das ist ein Fortschritt?

Würde schon sagen.

Ich bin skeptisch, es gibt ja schon so eine kleine Legalisierung in den Apotheken. Die mussten erstmal einen Tresor anschaffen und haben das Zeug dann von Bayer oder weiß ich wem gekriegt. Hanföl, chemisch hergestellt. Und jetzt beziehen sie es aus Holland, und das ist wahnsinnig teuer.

Zahlen ja die Krankenkassen.

Ja, aber ich befürchte, dass mit der Legalisierung jede Menge Auflagen kommen. Die, die verkaufen wollen, müssen schusssichere Schränke haben und Buch führen. Letztendlich wird das Geschäft über große Anbauer und große Handelsketten laufen, die ganz anders mit den Pflanzen umgehen, als die Kleinen, die halt illegal Marihuana in der Scheune anbauen. Und die dann überprüft werden, weil die Stromrechnung so irre hoch ist. Wir haben ja immer eine Hanfmesse hier in Berlin. Du kannst dir vorstellen, was dort für Leute sind. Oft Amerikaner, die wollen auf den deutschen Markt und bereiten das vor. Und sonst machen die, was man halt so macht, wenn man reich ist. Hotel auf Bali oder in Tirol oder so. Die sind erst illegal in Amerika reich geworden und dann durch die dortige Legalisierung. Und zwar richtig reich. Das ist der normale Weg, und ich glaube nicht, dass es einen anderen gibt. In Ostdeutschland gab es bis vor ein paar Jahren Rentner, die wenig Geld hatten und Kräuter gesammelt haben, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Das wurde dann verboten, und jetzt kommen die Kräuter von Pharma-Konzernen. Ich finde, so wie es jetzt läuft mit Marihuana und Haschisch, sollte es bleiben. Schon damit die ganzen Jugendlichen nicht noch verwirrter abhängen als so schon.

Aber wenn Cannabis entkriminalisiert wird, kommen viel weniger Kleindealer in den Knast, und es gibt viel weniger Polizeistress, zumindest hier in Baden-Württemberg.

In Berlin sind wir ja fast privilegiert, denn hier sind neun Gramm straffrei. Ich muss immer lachen, weil soviel Geld habe ich nie. Neun Gramm… Ja, dass halt manchmal ein Dealer hochgenommen wird, ist nicht schön. Andererseits verdienen die ja auch ganz gut. Die Dealer, die ich so kenne, sind Gambier, die im Görlitzer Park rumhängen. Bei denen ist aber die Qualität oft schlecht. Die verkaufen Gras, und dann sind da mehr Zweige drin, aber dafür können die ja nichts. Diese Leute sind furchtbar nette Menschen, aber arm. Grottenarm.

Meinst du nicht, dass die Lieferketten menschenfreundlicher werden, wenn es eine Legalisierung gibt?

Hm, ja, das ist auch ein Argument. Aber kuck mal: Die ganzen Biosupermärkte. Ich kenne noch die ersten, jetzt haben wir halt Konzerne. Die dann sogar damit werben, dass sie die ersten waren, dabei sind sie die letzten. Nach der Legalisierung wird Gras in großem Stil angebaut, und das nimmt dann den Lauf wie Mais oder Soja, nur dass Marihuana eigentlich keine Pestizide oder Herbizide braucht, dann aber schon. Abgesehen davon, dass es teurer wird, das muss man auch sehen.

Rauchst du eigentlich lieber Gras oder Haschisch?

Wenn ich die Wahl hab, lieber Haschisch. Dieses gentechnisch veränderte Gras ist ja aber auch nichts. Das ist so hochgepusht worden. Ich glaube, sieben oder acht Prozent THC war mal normal, und die Pflanzen aus Holland sind jetzt schon über 15 Prozent und die genveränderten über 20. Das ist doch nicht gut. Da macht man sich das Gehirn mit kaputt. Dafür wachsen die nun so niedrig, dass man sie nicht sieht, wenn einer auf dem Balkon anbaut.

Du bist der dienstälteste Kiffer der taz, oder?

Naja, früher, die erste Riege bei der taz, die haben alle gekifft. Wir hatten mal einen Chefredakteur, nach zwei Jahren wollte er das nicht mehr machen. Auf alle Fälle hat er dann ein kindskopfgroßes Stück Haschisch gekriegt, zum Abschied. Heute gibt's noch ein paar, die kiffen, aber nur, wenn sie nicht schlafen können. Wir haben vor der Produktion gekifft, weil uns das angeturnt hat. Bevor wir geschrieben haben, bevor wir gearbeitet haben. Mathias Bröckers war der letzte, mit dem ich auf dem Sofa saß und gekifft habe, das war so um elf Uhr vormittags. Und dann kamen die Millennial-Journalisten und sagten, Mensch, ihr kifft schon so früh am morgen! Und Mathias hat gesagt: Ja meint ihr, wir kiffen zum Vergnügen?

Du kannst bekifft wirklich besser arbeiten?

Also der positivste Effekt ist beim Lesen. Ich habe viel mehr Assoziationen und dann viel mehr von der Lektüre. Wenn ich mir ein Buch für zwanzig Euro kaufe, hole ich da für 60 Euro Wissen raus.

Findest du kiffen politisch? Oder war es für dich mal politisch?

Lass mich überlegen… Naja, das war früher mehr Sex, Drugs and Rock'n'Roll, aber die ganze Zeit damals war ja politisch. Ich komme ja aus Bremen, da haben Schüler gegen die Tariferhöhung der Straßenbahn gekämpft, das war so 1967, und ich glaube, ein Jahr später, 1968, haben wir mal ein bisschen Gras gekriegt und mal geraucht, und dann in Berlin öfter. Da war das aber besser organisiert. Heute geht man zu den Dealern, deshalb fliegen die auch auf, wenn in einem Mietshaus zu viel Publikumsverkehr ist im dritten Stock links. Damals hat man einen angerufen, und der kam dann in die Wohngemeinschaft. Der sagte immer, koordiniert eure Bestellungen, nicht dass ich in einer Stunde nochmal kommen muss. Kiffen war gar nicht so wichtig. Damals hatten wir auch nicht viel Geld. Wobei, wenn wir mehr Geld gehabt hätten, hätten wir vielleicht auch mehr gekifft. Einmal hatte einer aus der WG das Geld für die Miete dabei und hat dann aber in der Bahn einen getroffen, der ihm Haschisch verkauft hat. Der kam ganz stolz nach Hause und sagte, die Miete müssten wir zwar neu einsammeln, aber ich hab nen guten Deal gemacht. Das Zeug turnte leider überhaupt nicht und lag irgendwann bei den Tellern im Regal. Als ich dran war mit Kochen, hab ich Pfannkuchen gemacht und es mit einer Reibe richtig fett draufgerieben. Da hat es funktioniert.

Schöne Geschichte. Bist du mal kontrolliert worden? 

Oh, ja, das ist auch eine schöne Geschichte. Das war etwa 1969/70, da gab es die Grenzpolizisten der DDR. Und einer fragte mal, ja, was ist denn das? Naja, sagen wir, ein Stück Haschisch. Wir haben es ihm geschenkt. Beim nächsten Mal hatten wir ein Haschisch-Pfeifchen dabei, und er fragte wieder: Was ist denn das? Und so haben wir uns mit dem immer über Wirkung von Haschisch unterhalten, das war eigentlich ganz nett. Dann kam das Transitabkommen von Willy Brandt, und die Grenzpolizisten haben nicht mehr kontrolliert. Dafür der Zoll. Und gleich beim ersten Mal, wir im VW-Bus, haben sie ein winziges, nur fingernagelgroßes Stück bei einem gefunden und uns den ganzen Nachmittag aufgehalten. Wir haben dann auch noch einen Prozess gekriegt. Also da haben wir uns die DDR-Grenzschützer zurückgewünscht. Im Gegensatz zu allen anderen Deutschen natürlich.

Ist Kiffen für dich eine Lebenseinstellung?

Die Drogenfrage? Hm. Naja, war von mir jetzt nicht besonders durchdacht am Anfang. Im Übrigen kann ich auch mal wochenlang nicht kiffen, im Gegensatz zum Tabakrauchen, darauf zu verzichten fällt mir schwer. Für mich sind Rauschgifte eigentlich nicht wichtig, auch wenn ich viel kiffe. Also eigentlich interessiere ich mich auch gar nicht für Drogen. Nur für die Wirkung. Ich mache das, was ich auch unbekifft machen würde, nur halt besser.


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2 Kommentare verfügbar

  • Gerald Fix
    am 26.11.2021
    Antworten
    Es bleibt eh abzuwarten, ob aus einer Legalisierung etwas wird - der Verfassungsblog ist skeptisch: "Die große Koalition kann nicht einfach Cannabis aus dem Strafrecht streichen und damit Produktion, Verkauf und Konsum entkriminalisieren. Alles außerhalb der medizinischen und wissenschaftlichen…
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