Die Anerkennung fand er im Ausland, beim "Time Magazin" in New York, das ihn 2002 zum "Hero for the Green Century" kürte, in Stockholm, wo er den Alternativen Nobelpreis (1999) verliehen bekam, bei Ehrendoktor- und Professorwürden in Bulgarien und China, bei Fidel Castro, der ihn "Commandante Solar" nannte. Dass diese Bilder auch in seinem MdB-Büro hingen, darf unter der Rubrik Eitelkeit verzeichnet werden, die er nicht verhehlte, so wenig wie seine Neigung zur Vollcheckerei, die ihm schon als Zehnjährigem zu eigen war, als er alle römischen Kaiser auswendig aufsagen konnte.
Nun ist der frühere Wasserballer und Fünfkämpfer immer wieder gefragt worden, wie er das aushält, dieses wenig gewürdigte Prophetendasein im eigenen Land, dieses beharrlich-unbeirrte Anrennen gegen herrschende Dogmen? Und er hat immer geantwortet, es wäre gescheiter, Politiker zu fragen, wie lange sie das noch aushalten wollten, untätig zu bleiben und die Politik für die Gesellschaft anderen zu überlassen, von denen sie den Eindruck haben, dass sie nicht das Notwendige und das Richtige tun? Oder glauben Sie, pflegte er zu kontern, dass die Amerikaner in den Golf- und Irakkrieg gezogen sind, weil dort Bananen wachsen?
Öl ist die "Energie der Monopole", erkannte Scheer, "für deren Interessen Regierungen sogar Krieg führen". Für ihn bleibe die einzig offene Frage, wie viele Katastrophen, Krisen und Kriege noch passieren müssten, bis endlich auf die "Energien des Volkes" gesetzt werde? Einer wie er sei gefährlich, hat einst Gerhard Schröder zu ihm gesagt, weil er zu seinen Überzeugungen stehe. Einer wie er, erklärt Eppler, wisse sehr genau, was Macht ist, wie sie erhalten und erweitert wird.
Der vor einem Jahr verstorbene SPD-Linke dachte dabei an die Energiekonzerne, seine hessische Amtskollegin Andrea Ypsilanti nennt sie Oligopole, in ihrem Widerstand "hart und gnadenlos". 2008 wollte sie Scheer zu ihrem Wirtschaftsminister machen, auf dessen Programm 690 neue Windkraftanlagen, 600 Solarparks, 280 Biogasanlagen und 60 Wasserkraftwerke standen. "Ypsilantis Windmacher" titelte der "Spiegel", ein "Dampfplauderer", in Berlin "längst abgeschrieben", polarisierender "Energie-Guru". Und Wolfgang Clement, ehemaliger SPD-Wirtschaftsminister, warnte das Volk davor, das Gespann Ypsilanti/Scheer zu wählen, andernfalls könnten im Land die Lichter ausgehen. Clement saß in dieser Zeit im Aufsichtsrat des RWE-Konzerns, der viel Geld mit den hessischen Atommeilern Biblis A und B verdiente. Wie bekannt, scheiterte das linke Projekt. Unter anderem an vier SPD-Abgeordneten, die Ypsilanti ihre Stimme verweigerten.
Wie würde Hermann Scheer wohl heute gesehen? Franz Alt hält ihn für den "erfolgreichsten Solarpolitiker der Welt" und will seinen Kampf fortführen, unter dem Motto "Bürger, zur Sonne, zur Freiheit". taz-Chefreporter Peter Unfried bleibt bei seiner Einschätzung, der Waiblinger Weltpolitiker sei "größer als die Beatles". Er wäre der Größte, glaubt sein langjähriger Wegbegleiter Klaus Riedel, der viele Jahre für die SPD im Waiblinger Gemeinderat saß. 95 Prozent seiner Prognosen seien eingetroffen. Und was sagt die Partei? Soweit wahrzunehmen – nichts.
Lesenswert die Gedenkschrift der Hermann-Scheer-Stiftung, die von ihrer Vorsitzenden Nina Scheer 2012 herausgegeben wurde. Unter anderem findet sich hier der Satz von Erhard Eppler, der Verstorbene habe "mehr bewirkt als fast alle, die je in Bonn oder Berlin im Kabinett saßen".
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Peter Schrade
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