"How dare you?" Wie könnt Ihr es wagen? Längst ist diese Frage in Greta Thunbergs Rede vor den Staats- und Regierungschefs auf dem UN-Klimagipfel in New York zur Anklage geworden. Zum geflügelten Satz fürs zaghafte oder gleich gar nichts Tun beim Klimaschutz. Steffen Siegel stellte am vergangenen Freitag dieselbe Frage: "Wie könnt Ihr es wagen?" Zwar in sehr viel kleinerem und bescheidenerem Rahmen während einer Podiumsdiskussion in Leinfelden. Und nicht bezogen auf die Zukunft der Menschheit, allerdings mindestens ebenso vehement. Siegel geht es ums Kraut. Genauer: ums Filderspitzkraut. Vor mehr als 500 Jahren erstmals von Mönchen angebaut, hat es sich zur regionalen Berühmtheit gemausert – nicht nur unter Spitzkrautliebhabern und Fans von Sauerkraut. Das Filderkraut gehört auf die Fildern wie die Mozartkugel nach Salzburg. Ganz besonders zart soll es sein, sagen Kenner.
Siegel ist Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Fildern. Seit Jahren verteidigen er und seine Gemeinschaft das Kraut und vor allem die besonderen Böden, auf denen es wächst, gegen Profitgier und Flächenfraß, der nach Überzeugung der Initiative einem überholten Wachstumsglauben geschuldet ist. Wenn es anders nicht geht, dann auch durch so radikale Maßnahmen wie einen Zuzugstopp von Unternehmen und Menschen. Nachhaltigkeit genügt den Umweltaktivisten längst nicht mehr. "Wir müssen enkelverträglich leben", sagt Siegel und fordert, jegliches Planen und Handeln unter den Vorbehalt zu stellen, dass es nachfolgenden Generationen weder Lebensqualität noch Lebensgrundlagen raubt.
Studie prognostiziert weiteren Flächenfraß
Der Anlass für Siegels Appell: eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie der Frankfurter Planungsbüros AS+P, die sich der "Überprüfung und Weiterentwicklung der räumlichen Wachstumspotenziale im Filderraum" widmete. Die "Filderstudie" war vom Verband der Region Stuttgart (VRS) und dem Kommunalen Arbeitskreis Filder (KAF) in Auftrag gegeben worden, einem Zusammenschluss der Fildergemeinden (Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt, Ostfildern, Denkendorf, Neuhausen, Steinenbronn; und weil Stadtteile von Esslingen und Stuttgart auf den Fildern liegen, gehören auch diese beiden Städte dazu). Ihr Fazit: Die Fildern werden dank ihrer guten Verkehrsanbindungen auch in Zukunft eine "dynamische Entwicklung" zeigen. Vor allem der Stuttgarter Flughafen, wo im Zuge von Stuttgart 21 irgendwann einmal auch ICEs halten sollen, wird die weitere Ansiedelung von Unternehmen und Firmen pushen, prophezeien die Autoren: "Die Mobilitätsdrehscheibe am Flughafen und ihr Umfeld sollen sich aufgrund der Erreichbarkeitsvorteile zu einem Siedlungs- und insbesondere Wirtschaftsflächenschwerpunkt entwickeln."
4 Kommentare verfügbar
Matt Penz
am 05.10.2019Und dann bauen ohne Ende um genügend bezahlbaren Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen. Wie in Berlin vor hundert Jahren.
Nur so kann die Region im…