"Das heilige Korntal", wie die Hochburg des schwäbischen Pietismus gerne genannt wird, ist gewissermaßen zum Synonym für Trauma, Leiden und Prügel geworden. Denn der Name des Orts ist in gewisser Weise kontaminiert durch den sexuellen Missbrauch an Kindern. Vor diesem Hintergrund eine 200-Jahr-Feier auszurichten, ist sicherlich nicht einfach (Kontext berichtete).
Der Sonderstatus Korntals bei der Gründung als bürgerlich-religiöse Gemeinde wirkt bis heute fort. Im Herzen des Orts liegt der Saalplatz mit den Einrichtungen der Brüdergemeinde. Eher versteckt liegt dagegen die Stadthalle. Dorthin hatte die Gemeinde zum Auftakt eines Festwochenendes am Freitagabend die Bürger geladen. Mehrere Hundert waren der Einladung gefolgt, schließlich war als Festredner der EU-Kommissar für Haushalt und Personal angekündigt. Günther Oettinger ist im benachbarten Ditzingen aufgewachsen.
Der CDU-Politiker erzählte, dass er "auf dem Bolzplatz gekickt" hat und mehr als acht Jahre bis zum Abitur das Gymnasium Korntal besuchte. Wenn es zum Gottesdienst ging, mussten sich die Schüler der Größe nach aufstellen. "Ich war der Kleinste", erzählte Oettinger, der evangelisch ist, schmunzelnd. Und er bemerkte mit einem Augenzwinkern, dass die jungen Leute auch Wege fanden, die strengen Moralvorschriften aufzuweichen. So sei es "nicht immer nur heilig, sondern manchmal auch etwas scheinheilig zugegangen", erzählte der CDU-Politiker.
Besonderer Pietismus, besondere Verantwortung?
Oettinger, der mit einem flammenden Appell für die europäische Idee und die Partnerschaft mit Afrika warb, nannte die "Korntaler eine Ausnahme unserer Geschichte über Jahrhunderte hinweg". Ihn habe "das Ethos und die Bescheidenheit der Bürgerschaft immer beeindruckt". Korntal sei eine besondere Stadt, in der der Pietismus als besondere Ausprägung des evangelischen Christentums und als besonderes Bekenntnis zum christlichen Glauben auch heute noch zu Hause sei.
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Ulrich Hartmann
am 11.07.2019