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Kohle für Wildtierschützer

Kohle für Wildtierschützer
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Die Deutsche Wildtier Stiftung schützt die Haselmaus und den Wald, wenn es gegen Windkraft geht. Gegen die geplante Rodung des Hambacher Forsts hatte sie nichts einzuwenden. Das könnte damit zusammenhängen, dass Stiftungsvorstand Fritz Vahrenholt beste Kontakte zum Kohlekonzern RWE hat.

Es könnte kaum idyllischer sein: grüner Wald in Abendstimmung, Vogelgezwitscher, ein Schwarzstorch füttert sein Junges. Doch dann Chaos und Tod: Holzvollernter durchpflügen den Forst, um Platz zu schaffen für Windräder, von dessen Rotoren der aufgeschreckte Storch brutal geschreddert wird. <link https: youtu.be odfeuxznifg external-link-new-window>"Keine Windkraft in unseren Wäldern!", mit diesem Appell endet der Filmspot, den die Deutsche Wildtier Stiftung (DWS) derzeit in hessischen Kinos zeigt.

Der 36 Sekunden lange Anti-Windkraft-Clip läuft nicht zufällig zwischen Kassel und Darmstadt: Am 28. Oktober wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Die bisherige schwarz-grüne Landesregierung will, dass bis 2019 ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bis zum Jahr 2050 sollen es 100 Prozent sein, um das Klima zu schützen. Dafür muss die Zahl der Windräder von derzeit 1100 fast verdoppelt werden, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium, das der Grüne Tarek Al-Wazir führt. Ohne Windräder im Wald geht dies nicht.

Für die Hamburger Stiftung ist die schwarz-grüne Energiewende ein rotes Tuch. "Windkraftanlagen auf Höhenzüge deutscher Mittelgebirge zu bauen, bedeutet nicht nur Rodung von Bäumen", begründet ihr Vorstand Fritz Vahrenholt die Kino-Kampagne. Um "Windfabriken von der Höhe des Kölner Doms" zu errichten, würden intakte Ökosysteme zerschnitten, Böden versiegelt. Der Wald und seine Tierwelt dürften aber nicht zum Opfer der Energiewende werden, "der Verlust gewachsener Wälder für die Wildtiere ist unersetzbar", behauptet Vahrenholt – und ist sich damit mit AfD und FDP einig, die ebenso gegen "den ideologisch motivierten Ausbau der Windkraft" kämpfen.

Glaubt man der Stiftung, dass sie "Natur und Wildtieren eine Stimme geben und sie aktiv schützen" will, dann müsste der Aufschrei anderswo viel lauter sein. Nämlich am Hambacher Tagebau des Energieversorgers RWE. Seit 1978 wird unweit von Kerpen das größte Loch Europas gegraben. Auf 85 Quadratkilometern dringen Bagger bis in über 450 Metern Tiefe vor, um Braunkohle zu fördern. Vom 12 000 Jahre alten Hambacher Wald, der einst 41 Quadratkilometer maß, ist der Großteil dem braunen Gold geopfert. Der Rest von 200 Hektar gilt dennoch als wertvoll: In ihm wachsen Winterlinden, die vor 3000 bis 6000 Jahren nach einer Eiszeit einwanderten, und er ist Lebensraum bedrohter Tierarten, etwa der seltenen Bechsteinfledermaus.

Kein Wort zum großen Baggern

Während Naturschützer wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) seit Jahren um den Erhalt des Waldes kämpfen, verliert die Stiftung kein Wort zum großen Baggern und den dramatischen Folgen. "Vom Hambacher Forst existiert nur noch ein kleiner Rest", begründet DWS-Geschäftsführer Hilmar Freiherr von Münchhausen die Zurückhaltung. Man überlege genau, in welchen Konflikt es sich einzusteigen lohne, "das macht in Hambach keinen Sinn mehr", sagt von Münchhausen, als Mitte September die Räumung der Baumhäuser im Forst beginnt. Die geplante Rodung sei durchgeklagt, vergeblich aus Sicht von Naturschützern.

Doch da irrt der Freiherr. Noch ist eine Klage des BUND gegen den "Hauptbetriebsplan" des Tagebaus beim Verwaltungsgericht Köln anhängig. Bevor in dieser Sache nicht entschieden ist, dürfe RWE in dem Wald keine "vollendeten Tatsachen" schaffen, verhängte das Oberverwaltungsgericht Münster vergangene Woche ein vorläufiges Rodungsverbot.

Kooperation mit Klimazerstörer

RWE Power gilt als größter Kohlendioxid-Emittent Europas. In Nordrhein-Westfalen war die RWE Power AG 2015 allein für den Ausstoß von etwa 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Der Großteil davon geht auf das Konto der vier Großkraftwerke Weisweiler, Frimmersdorf, Neurath und Niederaußem, in denen Braunkohle aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler im Rheinischen Revier verfeuert wird. (jl)

Warum schweigt die Stiftung? Im Internet kursieren Gerüchte, wonach die DWS eine Lobbyorganisation der fossilen Energiewirtschaft ist – und ihr Einsatz für Natur und Tiere nur Tarnung, um die Energiewende zu sabotieren. Mit subtiler Öffentlichkeitsarbeit, die Vorbehalte gegen erneuerbare Energien schürt. Astro-Turfing heißt auf Neudeutsch diese Strategie, mit der Konzerne vor allem in den USA den zivilgesellschaftlichen Protest gegen Großprojekte managen.

Kontext-Recherchen liefern eine mögliche Erklärung, warum die DWS auf dem Braunkohle-Auge blind ist. Denn im Jahresbericht 2017 taucht auch die RWE Power AG aus Essen als Spender auf. Das Unternehmen ist die fossile Stromerzeugungstochter von RWE. Sie betreibt die Tagebaue und klimaschädlichen Kraftwerke im Rheinischen Revier, auch den Hambacher Tagebau. Auf die Frage, wieviel Geld die RWE-Tochter nach Hamburg überwies, darauf gibt es keine Antwort. Geschäftsführer von Münchhausen betont nur, dass Spenden ausschließlich Projekten zufließen.

PR-Coup mit niedlichen Haselmäusen

Im vergangenen Jahr war eines davon die Umsiedlung von Haselmäusen, deren Zuhause dem Tagebau Garzweiler im Weg ist. Den possierlichen Nager hatte die DWS auch zum "Tier des Jahres 2017" erkoren. 300 Haselmäuse wurden von RWE eingefangen und auf die Sophienhöhe verbracht, eine rekultivierte Abraumhalde des Hambacher Tagebaus. Die Begleitung durch die DWS beschränkte sich offenbar auf Entsendung einer Biologin, die Schülern an zwei Tagen das neue Haselmaus-Habitat zeigte. Die PR-Maschinerie beider Seiten verkaufte die Umsiedlung als Erfolgsstory, die Medien groß weiterverbreiteten. Ein PR-Coup, für den sich der Stromkonzern mit einer Präsentation der Stiftung im eigenen "Nachbarschaftsmagazin hier" bedankte.

Dabei hätte die DWS, die 1992 der Hamburger Unternehmer Haymo G. Rethwisch gründete, Kohle vom Kohlekonzern gar nicht nötig. Ende 2017 betrug das Stiftungskapital 111 Millionen Euro, die Rücklagen summierten sich auf knapp 30 Millionen Euro. An Spenden, Erbschaften und Bußgeldern wurden rund 868 000 Euro vereinnahmt, was nahezu einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zusätzlich flossen Zuschüsse und Förderungen in Höhe von 782 000 Euro.

Die enge Verbindung zu RWE lässt sich an der Person von Stiftungsvorstand Vahrenholt festmachen. Der 69-Jährige, von Haus aus Chemiker, leitete ab 2008 die RWE Innogy GmbH. Mitte 2012, mit Amtsantritt bei der Wildtier Stiftung, wechselte er in den Aufsichtsrat der RWE-Tochter, die auf erneuerbare Energien fokussiert ist. Bis heute sitzt er zusätzlich im "Investment Committee" der Innogy-Tochter "Venture Capital GmbH", die sich in europäische Firmen aus den Bereichen Wasserkraft, Wind, Solarenergie, Biomasse einkauft.

In der Vita Vahrenholts, der SPD-Mitglied ist, fallen viele "grüne" Jobs auf. Von 1976 bis 1981 arbeitete er im Umweltbundesamt. Danach bis 1984 im Hessischen Umweltministerium. Über die Hamburger Umweltbehörde und Senatskanzlei brachte er es 1991 zum Umweltsenator der Hansestadt. 1997 wechselte er zur Deutschen Shell AG, wo er die Bereiche regenerative Energie und Umweltschutz verantwortete. Von 2001 bis 2007 war er Chef des Windturbinenherstellers Repower Systems AG (heute Senvion). Er sitzt im Aufsichtsrat der Hamburger Encavis AG, die in Solar- und Windparks investiert. Randnotiz: Encavis erwarb auch Windparks an Waldstandorten, wie den 2016 ans Netz gegangenen Windpark Amöneburg in Hessen.

Vahrenholt, der Klimawandel-Leugner

Vor einigen Jahren dann die Wandlung Vahrenholts: 2012 veröffentlichte er das Buch "Die kalte Sonne", in dem er menschliche Einflüsse auf das Weltklima bestreitet. Unter www.diekaltesonne.de betreibt Mitautor Sebastian Lüning bis heute einen Blog, der auch Verschwörungstheorien zum Klimawandel verbreitet. Vahrenholt wiederum gehört seit 2015 zum "Academic Advisery Council" der <link https: www.desmogblog.com external-link-new-window>"The Global Warming Policy Foundation" (GWPF), einer den Klimawandel verneinenden Londoner Denkfabrik. Die GWPF, die sich über anonyme Spender finanziert, wirbt auch in den USA Geld ein.

Kontakt besteht auch zu hiesigen Klimawandelskeptikern. 2015 war Vahrenholt zu Gast bei einer "Konferenz" des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE). Das Jenaer "Institut" gilt als Plattform der deutschen Leugner-Szene. Für DWS-Geschäftsführer von Münchhausen sind dies nur "private Aktivitäten" seines Chefs.

Dabei weiß Vahrenholt wohl nur zu gut, wie Lobbying auch gegen die Energiewende geht: Neben Lars G. Josefsson, dem ehemaligen Vattenfall-Chef (der schwedische Energiekonzern betrieb bis vor kurzem Braunkohletagebaue in Ostdeutschland), und Roland Tichy, Rechtspopulist, Ex-Handelsblatt-Chefredakteur und Energiewendekritiker, sitzt er im Beirat der Berliner Consultum Communications GmbH. "Das gut vernetzte PR- und Beratungsunternehmen öffnet seinen Klienten durch sein weites Netzwerk aus Kontakten, Tür und Tor zu politischen Entscheidungsträgern", beschreibt das Onlinelexikon Lobbypedia die "Public-Affair"-Agentur.

Um ihre energiepolitischen Ziele durchzusetzen, agiert die Deutsche Wildtier Stiftung ganz nach Lobby-Lehrbuch. Sie sucht auf Veranstaltungen die Nähe zu Politik und Amtsträgern und nutzt dafür Vahrenholts Kontakte insbesondere in die SPD. So hielt beim jüngsten "Parlamentarischen Abend" der DWS im April Bundesumweltministerin Svenja Schulze eine "Key-Note-Speech" zu Biodiversität. Vahrenholt wetterte gegen die Förderung von Biogas.

Die DWS ist beliebt bei der Politik

DWS-Events bieten auch Klimawandelleugnern eine Bühne. Im November 2016 unterbreitete Patrick Moore, der sich als Mitgründer von Greenpeace International sieht, seine Thesen gegen Klimawandel und Windkraft den Besuchern des Parlamentarischen Abends. <link https: wattsupwiththat.com greenpeace-founder-delivers-powerful-annual-lecture-praises-carbon-dioxide-full-text external-link-new-window>Einen ähnlichen Vortrag hatte er im Jahr zuvor bei der GWPF gehalten. Für Greenpeace Schweiz ist Moore ein "bezahlter Botschafter der Atom-, Papier- und Gentechnik-Industrie, der weder unabhängig noch objektiv berichtet". Auf Anfrage erklärt die DWS, dass man mit Moore auch Kontroverses zur Diskussion habe stellen wollen.

Ganz klassisch finanziert die Stiftung auch "Studien", die Gefahren durch Windräder belegen sollen. Sie unterstützt Windkraftgegner mit Infomaterial, bestreitet aber, dass auch Gelder an lokale Initiativen fließen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Mit der in Hessen angesiedelten "Naturschutzinitiative" unterstützt die DWS derzeit mindestens zwei Bürgerinitiativen bei Klagen gegen Windparks: "Pro Limpurger Berge" aus Michelbach bei Schwäbisch Hall und "Windkraftfreier Odenwald" aus dem südhessischen Odenwaldkreis.

Trotz manch fragwürdiger Aktivität genießt die Deutsche Wildtier Stiftung hohes Ansehen in Politik, Gesellschaft und Medien. Am 15. Mai 2017 veranstaltete die Hansestadt Hamburg zum 25-jährigen Stiftungsjubiläum einen feierlichen Empfang für Spender, Unterstützer und Mitarbeiter. "Ich bin froh, dass es diese Stiftung gibt, und dass sie hier in Hamburg zu Hause ist", lobte der damalige Erste Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

Wohlwollend steht die Hansestadt auch zum bislang größten Stiftungsprojekt: Im Jahr 2021 will die DWS in Deutschlands höchstem Holzhochhaus "Wildspitze" ein Info- und Bildungszentrum eröffnen. Gefördert wird das nachhaltige Bauprojekt in der Hamburger Hafencity mit rund einer halben Million Euro aus Steuermitteln. Es braucht wenig Fantasie, dass den 100 000 Besuchern, die jährlich erwartet werden, die gigantischen Natur- und Klimaschäden durch Braunkohleverstromung verschwiegen werden. Und sie umso mehr zur Gefährlichkeit von Windmühlen erfahren.


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13 Kommentare verfügbar

  • Uwe Bardo
    am 09.02.2019
    Antworten
    Deutsche Wildtierstiftung eine Lobbyorganisation der fossilen Energiewirtschaft?
    Hier hat wohl jemand ein bisschen viel Krimi geschaut. Vahrenholt hat einfach erkannt, was die Windkraftkonzerne unter Duldung von Politik und gekauften NGO´s in D anrichten. Enoch zu Guttenberg (BUND) hat seinerzeit…
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