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Gemeinsam stark für Menschenrechte

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1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Erklärung der Menschenrechte. Deren Bedeutung will 70 Jahre danach das Stuttgarter Gemeinschaftsprojekt "Vielfalt: 0711 für Menschenrechte" ins öffentliche Bewusstsein heben – mit Aktionen, Vorträgen, Debatten und künstlerischen Interventionen.

Er sei "erstaunt darüber, wie viel Unwissenheit über Menschenrechte besteht", sagt "Stiftung Geißstraße"-Vorstand Michael Kienzle. Bei manchen gehe es nicht über den Anspruch hinaus, den eigenen Diesel in Stuttgart weiter fahren zu dürfen. Dabei seien "Menschenrechte die Grundlage unserer Existenz" fügt Kienzle beim Netzwerktreffen des Projekts <link http: www.0711menschenrechte.de _blank external-link-new-window>"Vielfalt: 0711 für Menschenrechte" am 18. September hinzu.

Es besteht ganz offensichtlich Aufklärungsbedarf. Um das zu leisten und für die Menschenrechte Flagge zu zeigen, haben Peter Grohmann und sein Bürgerprojekt Die AnStifter sowie die Stiftung Geißstraße daher im Juni begonnen, für das Gemeinschaftsprojekt zu mobilisieren. Die Resonanz, die über die Stadtgrenzen Stuttgarts hinausgeht, hat auch die gut vernetzten Initiatoren überrascht – selbst der Arbeitskreis Asyl aus Benningen in der Nähe von Heilbronn unterstützt das Vorhaben. "Wir haben nicht erwartet, dass es so voll wird", sagte denn auch ein gut gelaunter Grohmann beim letzten Netzwerktreffen. Die gesamte Teilnehmerliste von "Vielfalt: 0711 für Menschenrechte" ist mittlerweile auf rund 200 Beteiligte angewachsen, auch Kontext unterstützt die Aktion. Nach Angaben der Organisatoren stößt sie auch in den Parteien auf positive Resonanz – nur nicht bei der AfD, die das Ganze als "Wohlfühlveranstaltung" ablehne.

Anlass für die Aktion ist die Verkündigung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1948. Da die Menschenrechtskonvention 30 Artikel umfasst, haben die Stuttgarter Organisatoren dazu aufgerufen, an den 30 Tagen zwischen dem 11. November und dem 10. Dezember, "unsere Menschenpflicht zur Stärkung der Menschenrechte wahrzunehmen".

Von Theateraufführungen bis Suppenküchen

So bunt die Schar der Unterstützer aus Initiativen, Gruppen, Institutionen, Organisationen, Theater, Stadträten, Professoren und Studenten ist, so bunt sind auch die angekündigten Beiträge, die vier Wochen lang die Bedeutung der Menschenrechte ins öffentliche Bewusstsein heben sollen – das Spektrum reicht von Aktionen, Vorträgen und Debatten bis hin zu künstlerischen Interventionen. So plant das Theater Lokstoff eine Aufführung im Container und das Junge Ensemble Stuttgart eine Veranstaltung mit der Kinderbeauftragten der Stadt. Studierende der Merz-Akademie wollen eine Ausstellung am Österreichischen Platz machen, die Evangelischen Frauen in Württemberg haben Frauenrechte als Thema. Die SPD will sich einbringen genauso wie die Türkische Gemeinde Baden-Württemberg, die Grünen planen Infostände, die Caritas plant eine Suppenküche unter der Paulinenbrücke. Bei "100% Mensch" geht es um sexuelle Gleichstellung. Und das Interesse von Schulen wecken will das Jugendhaus Mitte. Es bietet Workshops an, bei denen Jugendliche angeleitet werden, einen Werbespot zu Menschenrechten zu drehen. Jungfilmer können aber auch von sich aus einen Beitrag einreichen (über diesen <link http: www.minimalfilm.de _blank external-link-new-window>Link).

Auch wenn der offizielle Auftakt erst am 14. November im Stuttgarter Rathaus stattfindet, los geht es schon davor: Am 5. Oktober etwa startet eine Veranstaltungsreihe, in der die Stiftung Geißstraße in Zusammenarbeit mit dem Hannah-Arendt-Institut die Menschenrechte in ihrem ganzen Umfang und ihrer Bedeutung darstellen will – "zur Einführung und Vorbereitung" der vielen Aktionen ab Mitte November. In den drei Vorträgen und Debatten sollen die Geschichte der Menschenrechte, Anspruch und Probleme sowie der Bezug zu Artikel 1 des Grundgesetzes ("Die Würde des Menschen ist unantastbar") dargestellt werden. Deutlich werden soll dabei auch, dass die Menschenrechte mehr sind als die Freiheit von staatlicher Bevormundung, sondern das Recht auf Bildung oder auch auf soziale Sicherung mit einschließen.

Außerdem wird es auch eine "Vielfalt-Zeitung" geben, in der, neben einem Verzeichnis der Veranstaltungen, die Bedeutung der Menschenrechte erläutert und Beispiele präsentiert werden, wo gegen diese grundlegenden Rechte verstoßen wird. Um aktuelle Probleme wie eine menschenwürdige Pflege, das Recht auf Wohnen, die zunehmende Beschränkung der Pressefreiheit oder fremdenfeindliche Aktionen in Deutschland soll es genauso gehen wie um Menschenrechtsverstöße in der Textilbranche bei der Billigproduktion in Asien. Trotz der vielen Negativbeispiele solle die Zeitung aber keine "Jammer-Postille werden", meint Kienzle, sie solle vielmehr "kämpferisch unsere Arbeit darstellen und Zuversicht für die Zukunft" verbreiten.

Schriftzug 0711 für Menschenrechte

Rund 200 Vereine und Initiativen in und um Stuttgart haben sich zu "Vielfalt: 0711 für Menschenrechte" zusammengetan, um vom 11. November bis zum 10. Dezember 70 Jahre Menschenrechtskonvention zu feiern. Lust, mitzufeiern? Hier die Veranstaltungen. (sw)

Trotz der großen Resonanz und der vielen geplanten Aktionen – angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Menschenrechte macht sich Peter Grohmann etwas Sorgen darüber, dass der Kreis der Unterstützer nicht breit genug sei. Der Kabarettist und Anstifter-Koordinator sieht über den üblichen Kreis der Unterstützer hinaus noch "Schwachstellen", vor allem bei Schulen und Universitäten. Zwar seien die Merzakademie und die Akademie der bildenden Künste dabei, "aber beide Unis fehlen noch". Alle anzusprechen, überfordere die Organisatoren allerdings, weswegen Grohmann beim Netzwerktreffen um Hilfe bat. Auch Geflüchtete und Asylbewerber sollen eingeladen werden. Und Michael Kienzle forderte dazu auf, alle Bezirksbeiräte anzuschreiben, denn diese könnten beantragen, dass im Bezirk etwas gemacht werde. Außerdem wies er darauf hin, dass die Kirchen angefragt worden seien, über die Konfessionen hinweg am 10. Dezember die Glocken zu läuten.

Jetzt geht es in die letzte Runde. Werbematerial ist gedruckt, Plakate können aufgehängt werden. "Es wäre schön, wenn wir jetzt optisch in Erscheinung treten würden", forderte Grohmann beim Netzwerktreffen. Die Vorbereitungen laufen bei allen Beteiligten auf Hochtouren. Es gibt noch viel zu tun.


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4 Kommentare verfügbar

  • Manfred Fröhlich
    am 27.09.2018
    Antworten
    Es genügt nicht, unseren Kindern die Grundrechte zu lehren, sondern diese auch "vorbildlich" zu leben.
    Es genügt nicht, die Menschenrechte privat zu achten, aber diese im beruflichen Alltag zu verletzen. Oder diese verletzen zu müssen, um das Firmeninteresse zu erfüllen. Oder den Arbeitsplatz nicht…
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