"Die sind ganz beeindruckt", flüstert uns die Klassenlehrerin Ann-Katrin Reinl zu, als die Pressesprecherin des Landtags Gabriele Renz uns durch das Gebäude führt. Das erste demokratische Parlament in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, erzählt sie, deshalb steht es unter Denkmalschutz und konnte vor kurzem nur innen renoviert werden. Da die tolle Panorama-Sicht aus der vollverglasten Front zum Schlossgarten hin, dort das goldene Wappen des Landes im Plenarsaal, in dem die Fraktionen diskutieren. Unsere SchülerInnen schweben fast ehrfürchtig über den teppichgedämpften Boden zum kleinen Konferenzraum.
Muhterem Aras empfängt uns im blauen Sommerkleid zum Gespräch. Dreimal bietet sie an, dass sich jeder ein Getränk nehmen darf, bevor der erste sich traut, nach einer der kleinen Orangensaftfläschchen zu greifen und sie möglichst geräuschlos neben sich auf den Tisch stellt.
"So, hallo", sagt Aras gut gelaunt, sie freue sich über den Besuch und das wichtige aber schwierige Thema "Politik und Demokratie", dass sich die SchülerInnen für unser Projekt ausgesucht haben. Sie plaudert ein bisschen, erzählt, lacht, und langsam schmilzt das Eis, weil da eine Frau sitzt, die offenbar weiß, wie man junge Leute knackt. Abdulkadr stellt die erste Frage: "Wie sieht denn Ihr Arbeitstag aus?" Dann kommt Shreen dran: "Warum gibt es in Deutschland so viele Parteien und in der Türkei eigentlich fast nur eine?" Abdul-Rahman fragt: "Wie sind Sie denn Politikerin geworden?" Muhterem Aras erzählt, wie sie als Mädchen mit den Eltern nach Deutschland kam, zu einer Zeit, als der Rechtsradikalismus eine Hochphase hatte, wie in ihrer Jugend AsylbewerberInnenheime brannten, und wie sie irgendwann beschlossen hat, sich einzusetzen gegen Rechts und in die Politik ging. Ein langer Weg, aber machbar, auch mit Migrationshintergrund – das ist Aras' Botschaft an unsere Klasse.
Dann will Dembo wissen: "Wie wirkt sich denn der Handelskrieg der USA auf ein Land wie Baden-Württemberg aus mit Daimler und Porsche als großen Arbeitgebern?" Muhterem Aras ist überrascht und angetan, das merkt man ihr an. "Das waren ja tolle Fragen", sagt sie zum Schluss, und unsere SchülerInnen werden alle ein bisschen größer auf ihren Stühlen. Und sie freuen sich, weil sich die Landtagspräsidentin auch für sie interessiert: Ob es ihnen gut geht in Deutschland, was sie einmal beruflich machen möchten und – das geht an Matteo aus Italien – wie es einem jungen Mann aus dem Urlaubsland Nummer eins der Deutschen, denn hier gefällt. "Es ist sehr schön in Deutschland", sagt er schüchtern und erzählt, dass er mal Polizist werden möchte. Mike möchte, wenn er es irgendwann aufs Gymnasium schafft, Ingenieur werden. Shreen will in einer Apotheke arbeiten. "In einer Apotheke?", fragt Aras, "das ist ja lustig, das wollte ich als junge Frau auch."
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!