Dembo kommt aus Gambia, er ist knapp volljährig, ein ruhiger junger Mann, der anfangs vor allem durch Schüchternheit aufgefallen ist, er spricht sehr gut Englisch, sein Deutsch wird immer besser. Mittlerweile ist er einer der Schüler, der politisch engagierten Erwachsenen ein Leuchten in die Augen zaubert: "Climate-Change" ist sein großes Thema, dass US-Präsident Trump aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen ist, liegt ihm schwer auf der Seele, er kennt die Diskussion um den Dieselbetrug, er hat die Demonstrationen und deren Niederschlagung in Venezuela verfolgt.
"Was ist denn so auf der Welt passiert", fragt Steffen Braun in der Woche nach den Faschingsferien. Und zwischen vielen fragenden Gesichtern meldet sich Dembo und berichtet vom "shooting" in den USA, dem Amoklauf an der Schule in den USA, vom Konflikt der Türken mit den Kurden im Irak. Er weiß, dass Deutschland immer noch keine Regierung hat, er kennt das Wort "Koalitionsgespräche" und weil ihm "Mitgliederentscheid" noch nicht so recht über die Lippen will, erklärt er auf deutsch und englisch, wie die "members" der SPD gerade abstimmen, ob sie mit der CDU regieren wollen. Mit drei Schulklassen haben wir bisher gearbeitet, aber ein Schüler, der derart politisch versiert ist, kam uns selten unter. Da geht einem das Herz auf.
Syrien sei auch in den Nachrichten gewesen, sagt Abdul-Rahman, und meint die schweren Kämpfe in Ghouta. Abdul ist Syrer und mit seiner ganzen Familie nach Deutschland geflohen. Normalerweise ist er der Klassenclown, ein witziger Kerl, der das Herz auf der Zunge trägt, liebenswert und laut. Aber in diesem Moment kneift er die Augen zu Schlitzen zusammen: "Warum", fragt er, "machen Menschen so was, warum greifen Menschen andere Menschen an und bringen sie um? Nicht einmal Tiere tun das. Was kann man denn dagegen tun?" Steffen Braun, der Kameramann, und unsere Redakteurin sind einigermaßen rat- und hilflos. Was sagt man einem Jungen, dessen Heimatland in Schutt und Asche liegt?
Jedes Handy hat einen Hippie-Parkplatz
Dembo und Abdul-Rahman sind zwei von 13 SchülerInnen der Projekt-Klasse. Da gibt es den lächelnden Singh aus Indien, Zain-Ullah aus Afghanistan, Sara, Fatima und Shreen aus Syrien, Matteo aus Sizilien, Peyman aus dem Iran, Dems aus Gambia, der wie Dembo von Abschiebung bedroht ist, den Syrer Abdulkader, Ahmed aus Syrien und Ahmed aus dem Irak, der erst seit drei Wochen in Deutschland ist. Gemanagt und domptiert wird die Klasse von Ann-Katrin Reinl, der Klassenlehrerin der Vabo 12. Das Klassenzimmer ist im Gebäudetrakt F, erster Stock, mit der Handy-Aufbewahrung gleich links neben der Tür – ein Bambusstab an einem Nagel, darunter kleine Fächer in Hippie-Blumenstoff wie ein Adventskalender. Jedes Smartphone der Klasse hat so einen Parkplatz. Ab und zu vibriert mal eines durch den Blumenstoff.
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Ernst-Friedrich Harmsen
am 28.02.2018