Sieben Jahre war er vorne mit dabei, beim Protest gegen Stuttgart 21. So freundlich wie hartnäckig. Eine schon gebückte Frau, älter noch als er, lobt ihn sehr dafür. "Der Karl hat uns alle inspiriert, gerade mit seinem Durchhaltevermögen, wenn Druck von oben kommt", sagt sie. Zeitweise hat er mit dem Arbeiten aufgehört, von seinen Ersparnissen als Energieberater gelebt, um gegen den unterirdischen Bahnhof anzurennen. Er nennt ihn "das Prinzip S21" und meint damit das Täuschen der Bevölkerung über den wahren Zweck des Immobilienprojekts. Zu diesem Prinzip gehöre auch, sagt er, die Kriminalisierung des Widerstands, die staatliche Repression, die "uns brechen soll. Damit wir aufhören, Störer dieses zerstörerischen Systems zu sein." Braig weiß, wovon er spricht. Er zählte zu jenen, die lieber in den Knast gingen, als Geldstrafen zu bezahlen. "Für etwas, das nicht rechtens ist, kann man kein Geld zahlen", stellt er klar. So saß er dann in Stammheim und in Rottenburg ein, wurde zum Blogger mit einem "Hafttagebuch" und zum unerschrockenen Redner vor Gericht, der die Juristen von seiner Mission ("Eine andere Welt ist möglich!") überzeugen wollte. Stets vergeblich.
Braig hätte es gerne politischer gehabt, nicht so fixiert auf den Bahnhof. Leider, bedauert er, seien nur wenig Leute bereit gewesen, "diesen Weg mitzugehen". Aber "es war halt jeden Tag viel los", da sei nicht viel Zeit zum Nachdenken geblieben. Im Gegensatz zu Mutlangen: Dort sei grundsätzlicher diskutiert worden. Zur Erinnerung: Das war 1985, wegen der Atomraketen. Damals hockte der Friedensfreund zum ersten Mal im Knast. Wichtig für die Protesthistorie: Im Jahr 1986 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Sitzblockaden wie damals in Mutlangen zwar eine Gewalt darstellten, aber eben keine strafbare Gewalt. "Wir wurden freigesprochen und bekamen Wiedergutmachungen", berichtet Braig.
Er will nicht warten, bis ein sinnloses Großprojekt stirbt
Vorgezeichnet war ihm diese Biografie nicht. Eigentlich sollte er den väterlichen Möbelhandel im oberschwäbischen Allmendingen übernehmen, was er nach einer kaufmännischen Ausbildung auch brav tat – aber nur kurz. Das war nicht sein Leben. Das waren die Bioläden, die Proteste gegen die Gentechnik, natürlich auch gegen die Atomindustrie (Wackersdorf), das waren die erneuerbaren Energien. Seine beiden Söhne sieht er in die väterlichen Fußstapfen treten. "So langsam beschäftigen sie sich mit meinen Themen. Zwar nicht so aktionsorientiert, aber das wächst", erzählt Braig, ziemlich stolzer Papa. Sie studieren Soziale Arbeit und Liberal Arts and Sciences in Berlin und Freiburg. Druck macht er ihnen keinen, weil er aus eigener Erfahrung weiß, dass die Dinge ihre Zeit brauchen. Er war selbst ein "Spätzünder", ein Studienabbrecher (Sozialwesen), 1983 im Tübinger Verein für Friedenspädagogik gelandet, und danach hauptamtlich für Friedensarbeit zuständig.
3 Kommentare verfügbar
Wolfgang Zaininger
am 22.07.2017manchmal ist es besser ein "Schlachtfeld" zu verlassen, als sich selber in einem beinahe aussichtslosem Streit zu verheizen. Du bist nicht der erste (und sicher auch nicht der letzte) der diesem mit Dreck, Feinstaub, Spekulation, politischer Verlogenheit angefüllten Talkessel den…