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Närrisch im braunen Sumpf

Närrisch im braunen Sumpf
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Gar nicht mehr lustig findet Landrat Heinz Seiffert (CDU) seine Narrenkapelle "Mate", für die er 30 Jahre lang geblasen hat. Nach braunen Umtrieben unter dem Logo der Ehinger Guggenmusiker ist der OEW-Chef und EnBW-Aufsichtsrat ausgetreten. Und der Fasnetverein versteht gar nicht, warum.

Die Brauereigaststätte Schwanen gehört zu den Ehinger Wirtschaften, in denen seit jeher gerne gefeiert wird. Am 13. April war Schluss damit. Da galt es, ein bizarres Strafgericht abzuhalten. Zur jährlichen Hauptversammlung waren 38 Mitglieder der Mate-Kapelle angerückt, die ihren Namensgeber in einer Erdhöhle außerhalb Ehingens vermuten und eine hoch angesehene Gruppe des Narrenvereins Spritzenmuck e. V. sind. Alles Männer, streng nach dem Vereinsmotto: "Du bist ein Mann – dann bist du bei uns richtig."

Passiert war Folgendes: Im Dezember 2015 schwappte im Internetdienst Whatsapp braune Sauce über. Auf einer Seite, die das Logo und den Namen der Mate-Kapelle im Vorspann führte, war alles an Abbildungen zu finden, was neonazistischer, männerbündischer Geschmack, volksverhetzender Furor, Antisemitismus und Rassismus versammeln kann: Hakenkreuze, Judenhetze, Schwarze mit und ohne Lendenschurz, mit und ohne Hitler im vollen NS-Wichs.

Eingestellt hatte diese braune Bildersammlung, die inzwischen gelöscht ist, der 29-jähriger Ehinger Andreas B. aus gutem Hause, der auch in anderen Gruppierungen an vorderer Stelle mitarbeitet: Bei der Ehinger Bürgerwache hat er die Aufsicht über die Waffenkammer, im Internetauftritt der Jungen Union Ehingen war er als deren Geschäftsführer aufgeführt. "Dieses Amt musste er mit Wirkung zum 30. April niederlegen", versicherte die JU-Vorsitzende einen Tag nach dem genannten Stichtag und wenige Tage nachdem sich die Lokalpresse des Themas erstmals angenommen hatte.

Nicht alle Matisten, die während der fünften Jahreszeit in Klamotten aus dem Kleidersack schräge Musik machen, hatten von dem braunen Geist, dem auch im weltweiten Netz gehuldigt wurde, sofort erfahren. Allein, an Landrat Seiffert, der in diesem Jahr "30 Jahre Mitglied" hätte feiern können, ging die Nachricht nicht vorbei. Er bat um Aufklärung und stellte den Verein vor die Wahl: Entweder geht der Urheber neonazistischer Ferkeleien oder ich.

Aufgeschreckt von der Drohung des Promi-Mitglieds, teilte ihm der Vereinschef Hermann Schlecker mit, der kritisierte Musikant bedauere, was er hochgeladen habe, die Gruppe distanziere sich. Doch ein entsprechendes Schriftstück wurde wochenlang unter Verschluss gehalten und erst bei der Hauptversammlung den anwesenden Mitgliedern verlesen. Seit wenigen Tagen ist es auf der Website als "Distanzierungserklärung" eingestellt.

Der Landrat wollte nicht mehr öffentlich blasen

Auch Seiffert hat anfangs die Seitwärtsbewegung einer Konfrontation vorgezogen, ließ seine Mitgliedschaft nur ruhen und das öffentliche Blasen sein. "Ich konnte und wollte mich nicht mit einem solchen Menschen in der Öffentlichkeit zeigen", begründete der Vorsitzende der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) und Ex-Bundestagsabgeordnete seine Abstinenz beim diesjährigen Umzug, bei dem er sonst für jeden Fotografen und Filmer ein Blickfang war. Der angeblich reuige Jungrechte zeigte dagegen keine Scheu. Er trat im Namen der Mate-Kapelle bei den Ehinger Narrenbällen unter den wohlwollenden Augen der örtlichen Obernarren als säbelschwingender Oberst und Sissi-Begleiter auf offener Bühne auf.

Nach dem Glompigen Donnerstag erreichte die Bildersammlung weitere Personen, unter anderem auch Peter Kienle, den Chef aller Ehinger Narren. Er versprach, sich zu kümmern, wenn das große närrische Tschinderassabumm vorbei sei und er den anschließenden Erholungsurlaub hinter sich habe. Nach Kienles Rückkehr passierte nicht viel, außer dass gestänkert wurde gegen die "Quertreiber" und Nestbeschmutzer, die den Vereinsfrieden störten. Jene, die glaubten, dieser braune Sumpf müsse trocken gelegt werden, legten das Material der Polizei und dem Staatsschutz vor, ohne einen Hinweis auf den Urheber zu geben.

Aber schon das war der Mate-Truppe offenbar zu viel. Noch schlimmer aber war der Antrag von drei Mitgliedern, eine Debatte darüber zu führen, wie man im Verein künftig mit rechtsradikalen und verfassungsfeindlichen Umtrieben umgehen wolle und wie man die "Transparenz" verbessern könne. Die drei Mutigen, das waren der Sohn des Landrats, dem vorgeworfen wurde, er habe seinen Vater informiert, ein Grundschulrektor, dem angelastet wurde, er habe den obersten Spritzenmuck Kienle unterrichtet, und der Spross eines Klinikarztes, an dessen schneller Auffassungsgabe sich schon immer einige Narrenfreunde gerieben haben sollen.

"Jetzt hamm 'r die Birschla"

Einer in der Runde jubelte unter den schweren Holzbalken des Versammlungslokals: "Jetz hamm 'r dia Birschla." Das Angebot, die Bilder zu zeigen, damit jeder weiß, worüber geredet wird, wurde niedergebrüllt, man wolle das alles nicht sehen, nicht wissen. Stattdessen mussten sich die Antragsteller anhören, sie beschädigten mit ihrem Querulantentum das Image der Kapelle, sollten rausgeworfen und der Rechtsausleger, der inzwischen ausgetreten war, wieder zurückgeholt werden. Der habe sich über Jahre bewährt und sei fleißig im Verein, meinte ein anderer, der sich zudem damit gebrüstet haben soll, auf seinem Handy ähnliches verfassungsfeindliches Material gespeichert zu haben.

Schließlich stellte einer den Antrag, die drei Genannten wegen vereinsschädigenden Verhaltens auszuschließen, vorher dürften sie sich aber noch jeweils maximal zwei Minuten lang rechtfertigen. Die Mitglieder sollten dann die Namen jener auf ihren Stimmzettel schreiben, die zu entfernen seien. Ergebnis: Für den Ausschluss des Schulrektors sprach sich die Mehrheit aus, die beiden anderen überlebten das Strafgericht ganz knapp. Sie traten später freiwillig aus. Gleich nach der Hauptversammlung, an der er nicht teilgenommen hatte, zog Landrat Seiffert die Reißleine. Für den Vizechef der Mate-Truppe, Michael Peter, kein Grund zur Beunruhigung. In der "Schwäbischen Zeitung" ließ er verlauten, die drei Abweichler hätten "im Hintergrund am Vorstand vorbeigearbeitet", und "Dinge in den Weg geleitet, ohne uns zu informieren."

Diesen Gipfel der Vertuschung wollte der Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte nicht erklimmen. Roland Wehrle, für seine wortreichen Auftritte unter seinesgleichen berühmt, erkennt tatsächlich den Ernst der Lage: "Das entsetzt mich", lässt er wissen, es wäre angebracht, "der Verein löst sich auf" nach diesem "dümmlichen und oberflächlichen" Verhalten. Ein Skandal sei es, Mitglieder auszuschließen, die sich gegen rechtsextreme Entwicklungen stellen. Im Interesse der Fasnet müsse eine "große Aufarbeitung des Vorgangs" stattfinden. Der Präsident weiß, warum er auf die Pauke haut: Er will die alemannische Fasnacht von der Unesco als Weltkulturerbe zertifiziert haben.


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4 Kommentare verfügbar

  • Ansgar
    am 14.05.2016
    Antworten
    Wir sind ein freies Land, mich überzeugen rechte Agitationswelten nicht, und ich finde sie auch nicht attraktiv, davon braucht man sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen.
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