Ein Beispiel von mehreren: Als wichtige Beweismittel aus der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft Konstanz verschwanden, wurde die Staatsanwaltschaft Karlsruhe 2008 mit den weiteren Ermittlungen beauftragt. Oberstaatsanwalt Klaus Armbrust teilte unmittelbar nach der Übernahme des Falls dem Leiter der Sonderkommission mit, dass es sich bei dem Tötungsdelikt nicht um Mord, sondern um Totschlag handle. Dieser sei verjährt, weshalb die Ermittlungen eingestellt würden. Rolf Siebold widersprach seinem Vorgesetzten entschieden, indem er ihm schriftlich darlegte, dass alle Mordmerkmale in diesem Fall nachweislich vorhanden seien. Dem konnte sich der Oberstaatsanwalt schließlich nicht verweigern, aber Siebold wusste von nun an, woher der Wind weht. "Mit einem Federstrich", so der Ex-Kripobeamte (63), sollte der Mord erledigt werden.
Dagegen stemmen sich auch heute noch Werner Huber und sein Schwager Karl S., die Nebenkläger. Ihr neuer, engagierter Berliner Anwalt lieferte neue Ermittlungsansätze, die auch der Ermittlungsprofi Rolf Siebold für vielversprechend hält. Auch für ihn taten sich eklatante Widersprüche bei Vernehmungen auf, denen nach seiner Überzeugung unbedingt nachgegangen werden sollte. Was Oberstaatsanwalt Armbrust freilich ganz anders sieht, wie er in seiner Begründung zur Verfahrenseinstellung im Oktober 2015 wissen lässt: Alles Spekulation! Hängt es damit zusammen, dass die neuen Ermittlungsansätze sich auf die Frage konzentrieren, wer die Beweismittel beseitigt hat? Denn eines ist klar: Lässt sich der Dieb ermitteln, ist man dem Mörder ganz nah. Der Diebstahl ist vermutlich verjährt, aber der Mörder lässt sich ohne Aufklärung des Justizskandals nicht finden.
Mehr noch als die Begründung der Staatsanwaltschaft, irritieren die Vorgänge, die diesen Fall hinter den Kulissen begleiten. So provozierte die "Spiegel"-Veröffentlichung im März 2013 eine Reaktion, die Karl S. heute noch empört. Er sei, so berichtet der ehemalige Mitarbeiter der Kripo Ravensburg, danach von einem ihm bekannten leitenden Polizeibeamten aus Konstanz angerufen und um ein vertrauliches Gespräch "bei einem Kaffee" gebeten worden. Sein ehemaliger Kollege, erinnert sich der Rentner, habe ihn mit der Aussage überrascht, sein Schwager könnte schwul gewesen sein und seine Ermordung mit der Stricherszene in Verbindung stehen. Das Gespräch habe er mit dem Hinweis beendet, "auch wir können an die Presse gehen". Vollkommen überrascht und eingeschüchtert sei er zunächst gewesen, erzählt Karl S., aber schon auf dem Heimweg wurde ihm die Ungeheuerlichkeit bewusst: Er und sein Schwager sollten – von einem leitenden Polizeibeamten! – zum Schweigen gebracht werden.
Kartell des Verschweigens
Das gelang auch auf eine weitere kuriose Art, die Staunen lässt und Fragen aufwirft. Wenn der "Spiegel" diesen unaufgeklärten Mord zum Thema macht und über verschwundene Beweismittel und "Justizpannen" berichtet, dann schauen auch die örtlichen Medien noch mal genau hin. Das tat auch eine Redakteurin der "Schwäbischen Zeitung" in Tuttlingen. Doch es gelang ihr nicht, den Artikel in ihrer Zeitung zu platzieren. (Artikel liegt vor.) Für das Monopolblatt sind die rätselhaften Hintergründe des Mordes bis heute kein Thema. Nicht anders beim "Südkurier", der in Konstanz erscheint. Obwohl die beschuldigte Staatsanwaltschaft dort beheimatet ist, wurde über den Skandal vor der eigenen Haustür keine Zeile berichtet. "Die haben einen Maulkorb", ist sich Rolf Siebold sicher.
Auf Anfrage per Mail reagiert der Chefredakteur des "Südkuriers", Stefan Lutz, lapidar. Man werde "in der Lokalredaktion" besprechen, ob es Neuigkeiten in dem Fall gibt, er selbst habe davon keine Kenntnis. Für weitere Fragen stand der Pressemann nicht zur Verfügung.
Nicht anders bei der "Schwäbischen Zeitung" in Ravensburg. Chefredakteur Dr. Hendrik Groth ist zu keiner Stellungnahme bereit. Er antwortete weder per Mail auf die konkreten Fragen, noch war er telefonisch zu erreichen. Der gewünschte Rückruf erfolgte nicht. Die inzwischen nach Norddeutschland umgezogene ehemalige Redakteurin äußerte sich einst gegenüber den Nebenklägern, die darauf gehofft hatten, dass der Mordfall auch in ihrer Lokalzeitung Interesse findet, völlig ratlos über die Nicht-Veröffentlichung ihres Artikels. Aber zu einem Gespräch war auch sie nicht bereit.
Für Werner Huber, Karl S. und Rolf Siebold, die weit von sich weisen, "Verschwörungstheoretiker" zu sein, passt das ins Bild. Denn nur wenn die Medien stillhalten, weil Entscheidungsträger sich informell absprechen, lässt sich ein solcher Skandal verheimlichen. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Aber leider keine auf die Frage, wer Dieter Huber ermordet hat.
Der Text erschien zuerst in "Blix", Magazin für Oberschwaben.
6 Kommentare verfügbar
andromeda
am 11.05.2016youtube Suche :Pelzig Dolata ;oder : ein Beamter packt aus ;oder
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