Der Kopp Verlag nennt es das "Kopp-Gate". Initiiert von "linksfaschistischen Kreisen", von "Gutmenschen", die sich "mit politisch Korrekten und 'Antifas' zu einem gefährlichen elektronischen Mob" zusammentun. Oder eventuell sogar von der Bahn selbst, die womöglich "ein paar Twitter-Aktivisten beauftragt hat, mal ein paar böse Nachrichten über KOPP zu schreiben, um einen politisch unbequemen Verlag loszuwerden. Beweise gibt es dafür keine, aber im Bereich des Möglichen liegt es sehr wohl."
Wie dem auch sei: Die Plakate sind weg, und auch die laut Kopp Online 592 Stück, die zukünftig auf Bahngelände hätten hängen sollen, bleiben das. "Dabei sollte es eine richtig schöne Werbekampagne werden", schmollen die Rottenburger.
"Wenn Organisationen oder Personen extreme Positionen vertreten, ermöglicht ihnen die DB keine Werbung auf ihren Flächen", schreibt die Bahn-Pressestelle auf Kontext-Nachfrage. "Das gilt auch für den Kopp-Verlag wegen dessen rechtspopulistischer Ausrichtung. Die DB stellt sich ausdrücklich Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit entgegen. Aktuell wird das im Engagement vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich, die sich um Menschen kümmern, die in Deutschland Schutz suchen." Eine der neuesten Einlassung des Kopp-Verlags zum Thema Nächstenliebe ist ein Buch mit dem Titel "Böse Gutmenschen – wer uns heute mit schönen Worten in den Abgrund führt". Der Autor ist überzeugt: "Wir brauchen heute keine Stasi und keine Gestapo mehr, denn 'engagierte Mitmenschen' übernehmen die Kontrolle über uns und achten streng auf 'politisch korrektes' Verhalten. Höchste Zeit, die Gesinnungspolizisten in ihre Schranken zu weisen."
Die Schranken hat momentan dann aber doch die Bahn runtergelassen. Bei aller Kritik am Bahnkonzern: So deutliche Worte hat bisher kaum ein Unternehmen gefunden, vor allem keines, das an den Rottenburgern eigentlich verdienen könnte (<link http: www.kontextwochenzeitung.de medien lifta-und-propaganda-3301.html external-link-new-window>Kontext berichtete).
Engagement gegen rechts ist dem Unternehmen, das ja alle möglichen Menschen befördert, nicht fremd. Seit 2000 gibt es das Projekt "Bahn-Azubis gegen Hass und Gewalt – Gemeinsam für ein tolerantes und respektvolles Miteinander". Jedes Jahr organisieren Auszubildende im ersten und zweiten Lehrjahr Events und Aktionen und können sie im Anschluss zu einem Wettbewerb einreichen. Einzige Bedingung: Sie müssen "nachdrücklich für mehr Toleranz, Zivilcourage und Respekt werben."
Aber warum ausgerechnet Xavier Naidoo?
2015 hat ein Flashmob gegen Rassismus vor dem Dortmunder Hauptbahnhof gewonnen, Zweite wurden Azubis aus Frankfurt, die einen Bus mit dem Slogan "Hass und Gewalt? Geht ja gar nicht! Schau nicht weg, ruf nach Hilfe!" dekorierten. Eine andere Gruppe organisierte am Bremer Hauptbahnhof ein Fest für Kinder aus sozial schwachen Familien, legte in einem Flüchtlingsheim einen Garten an, erfanden ein Memory für besseres Miteinander. 560 Azubis mit 90 Projekten haben sich 2015 beteiligt.
Schirmherrschaft haben der Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube, der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, und – die Söhne Mannheims. Ausgerechnet die Söhne Mannheims, ausgerechnet Xavier Naidoo?
Wir erinnern uns: Naidoo war der, der auf umstrittenen Montagsmahnwachen im "Freiheit für Deutschland"-Shirt halbrechten Quark abgesondert hat und glaubt, Deutschland sei noch immer besetzt und habe keine richtige Verfassung. Als der NDR nach Protesten Naidoos Nominierung für den Eurovision Song Contest 2016 zurückzog, sprang sogar Pegida-Gründer Lutz Bachmann für ihn in die Bresche: "Eine linksfaschistische Krake hat sich auf Deutschland gelegt." Der Kopp Verlag sprach in Zusammenhang mit dem schwindenden Ansehen Naidoos in der Öffentlichkeit über eine geplante "Säuberungswelle unter Autoren", um unliebsame Wahrheiten zu unterdrücken. (Naidoo und Kopp sind übrigens beide Preisträger des <link http: blog.dergoldenealuhut.de die-gewinner-des-goldenen-aluhutes-2015-stehen-fest _top>Goldenen Aluhuts 2015)
"Wir haben in der Vergangenheit Videospots und Aktionen mit Bandmitgliedern der Söhne Mannheims aufgezeichnet oder durchgeführt", antwortet die Pressestelle der Bahn. Wie sich das Unternehmen zukünftig zu Xavier Naidoo positioniert, ist bei Redaktionsschluss noch offen. Da kam das Zugunglück bei Bad Aibling dazwischen.
15 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 16.02.2016Ein Lob hätte dieses Privatunternehmen Deutsche Bahn AG - welches die öffentliche Daseinsvorsorge (den ÖPNV) übernimmt - m.E. erst dann…