"Damit wir klug werden" lautet das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentags im Juni kommenden Jahres, wogegen generell nichts einzuwenden ist. Und zur Klugheit gehört nun auch ein Beschluss des Präsidiums des Kirchentags, den Missbrauchsskandal und die schleppende Aufarbeitung der Heimvergangenheit in Korntal unter diese Losung zu stellen. "Wir sind dran", sagt die Generalsekretärin der Großveranstaltung, Ellen Ueberschär, gegenüber Kontext, "es wird in Stuttgart vor Ort etwas passieren."
Seit zwei Jahren denken mehr als 50 autonome Projektgruppen darüber nach, worüber sie bei dieser christlichen Zusammenkunft in Stuttgart diskutieren wollen. Eine von ihnen wird sich nun tatsächlich der Korntaler Verhältnisse annehmen. Befördert vom Präsidiumsmitglied Christine Bergmann, der ehemaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Sie hatte sich schon Anfang Oktober dafür ausgesprochen, angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe ehemaliger Korntaler Heimkinder beim Stuttgarter Kirchentag offensiv damit umzugehen (zum Artikel <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft korntal-leugner-2463.html _blank>"Korntal-Leugner").
Jetzt bekräftigt auch die Generalsekretärin diese Linie, überzeugt vom Vorschlag des Stuttgarter Exprälaten Martin Klumpp, der Grundsätzliches formuliert hatte. "Es kann unter dem Deckmantel des Heiligen und Christlichen Schlimmes passieren", sagte Klumpp im Kontext-Interview (Zum Artikel <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft das-heilige-und-der-teufel-2586.html _blank>"Das Heilige und der Teufel"), und er fragte weiter: "Gibt es in der Kirche Strukturen, die anfällig für Missbrauch sind und anfällig für Vertuschung von Missbrauch?" Je heiliger die Institution, so Klumpp in Anspielung auf das "heilige Korntal" der Pietisten, umso schwerer falle es, Sünde und Verfehlungen einzugestehen. Die geplante Podienreihe "Schuld und Versöhnung" wäre dafür doch die richtige Adresse.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag ist das Großereignis der Christen in Deutschland und versteht sich als eine Bewegung evangelischer Laien, die alle zwei Jahre Hunderttausende Menschen anlockt. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, das Motto steht schon lange, die Themen werden geplant und festgezurrt, alles, was außer der Reihe tanzt, ist schwierig. Die Württembergische Landeskirche als Kirche vor Ort darf drei regionale Themen bestimmen und hat sich entschieden: Jugend, Stuttgarter Reichtum – Vielfalt in Kultur und Religion, Evangelisch – nicht nur in Württemberg. Korntal liegt vor der Haustüre. Von der Gänsheide, dem Sitz der Württembergischen Landeskirche, sind es nur 13 Kilometer bis zur Evangelischen Brüdergemeinde: Mehr Regionalität geht nicht. Diskutiert werden sollte darüber nicht. Warum?
4 Kommentare verfügbar
Angelika Oetken
am 30.05.2015Je heiliger die Angehörigen einer Institution sich geben, desto größer sollte die Skepsis sein, mit der man ihnen begegnet.
"Heiligkeit"…