Chaher Agha ist ein Mann, der immer gut für seine Familie gesorgt hat. Einer, der hart arbeitet, als Ingenieur ordentlich verdient und sich ein angenehmes Leben im schwäbischen Sindelfingen aufgebaut hat. Doch jetzt weiß der große Mann mit den dunklen Haaren, den blauen Augen und der kräftigen Nase nicht weiter.
Die Familie seiner Frau musste aus Syrien fliehen. Er nahm die Schwägerin mit den beiden Söhnen bei sich auf. Er unterschrieb, dass er für alle Kosten aufkommt. Damit sie schnell ein Visum bekommen, damit sie in Sicherheit sind. Doch nach einem halben Jahr ist für ihn klar: Er schafft es nicht, für acht Menschen zu sorgen. "Ich will kein Sozialfall werden", sagt der 46-Jährige.
Allein im ersten Halbjahr 2014 sollen mehr als 20 000 Syrer nach Deutschland gekommen sein. Sie fliehen vor den Kämpfen zwischen Aufständischen und dem Assad-Regime. Nach Deutschland reisen sie illegal ein oder über Programme des Bundes und der Länder. Für diese Programme beantragen in der Regel Angehörige in Deutschland die Aufnahme. Wer über das Bundesprogramm kommt, den finanziert der Staat. Doch wer seine Angehörigen über ein Landesprogramm holt, muss alles für sie bezahlen – in Baden-Württemberg auch die Kosten für die Behandlung von Krankheiten. Das bringt manche Betroffene an ihre Belastungsgrenzen. Das Innenministerium weist das Problem von sich.
Politiker, Verbände und die Kirchen fordern derzeit einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen. Doch wie gehen die Behörden mit Menschen um, die sich verpflichten, Flüchtlingen zu helfen? Mit Menschen, die den Staat mit ihrem Einsatz entlasten?
Die Familie trägt alle Kosten: wohnen, leben, Schule, Krankheit
Chaher Agha sitzt im Wohnzimmer seiner Mietwohnung. Über ihm hängt eine Kuckucksuhr, die zur vollen Stunde zwitschert, in einem Aquarium neben dem Tisch schwimmen die Fische seines ältesten Sohnes Tamim. Über der Couch hängt ein Gemälde in Rot, Gelb und Braun von einem Haus in Aleppo, der Heimatstadt von Agha und seiner Frau.
Auf dem Tisch liegt die "Verpflichtungserklärung" – das Dokument, das Chaher Agha und seine Frau Huneida Khabbaze nun in Schwierigkeiten bringt. Sie haben unterschrieben, dass sie für alle Kosten aufkommen, die durch die Aufnahme von Khabbazes Schwägerin Mani Wazan und den Kindern entstehen. Alle Kosten. Wohnen, leben, Versicherungen, Schule, Kleidung.
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Dass man eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin im Asylverfahren
am 06.11.2014