Am Dienstag, den 12. August 2014, trafen sie sich wieder in dem Gebirgsdorf Sant'Anna di Stazzema, um an das Morden der SS-Männer zu erinnern. Es war der 70. Jahrestag. Und es war ein besonderer Tag. Nicht weil der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck kam, wie Anfang 2013 oder andere Prominente, sondern weil wenige Tage zuvor eine deutsches Gericht in einem Klageerzwingungsverfahren entschieden hatte, dass die Einstellung des Verfahrens gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Gerhard Sommer (93) aufgehoben wird. Kaum jemand hat mit dieser Wende gerechnet. Zumal Klageerzwingungsverfahren nicht nur selten sind, sondern häufig auch scheitern. Gerade bei NS-Verbrechen waren Anwälte aber immer wieder dazu gezwungen. Im Zusammenhang mit der Ermordung von Ernst Thälmann im KZ Buchenwald gab es zumindest einen Erfolg, als in den 1980er-Jahren eine Anklage gegen einen ehemaligen SS-Funktionär wegen Beihilfe zum Mord durchgesetzt werden konnte. Gescheitert war in den Nachkriegsjahren dagegen der Versuch, im Falle des Nazirichters am Volksgerichtshof, Hans-Joachim Rehse, eine Klage zu erzwingen.
Auch Gabriele Heinecke, die den Überlebenden Enrico Pieri vertritt, hatte kaum noch Hoffnung in Sachen Sant'Anna, berichtete die Hamburger Strafrechtlerin vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Museum von Sant'Anna. Dem Stuttgarter Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler (mittlerweile im Ruhestand), der das Verfahren nach zehn Jahren 2012 eingestellt hatte, warf Heinecke vor, auf die biologische Lösung gewartet zu haben. Dies ist ihm im Falle von 16 Beschuldigten gelungen. Sie leben nicht mehr oder sind nicht verhandlungsfähig. Bei einem kann die Teilnahme an dem Massaker ausgeschlossen werden.
Dabei waren zehn SS-Männer wegen ihrer Verbrechen in Sant'Anna bereits 2005 in La Spezia in Abwesenheit schuldig gesprochen worden. Bernhard Häußler kommentierte das Urteil damals als "Schnellschuss aus der Hüfte", berichtete Gabriele Heinecke. Der Oberstaatsanwalt habe ihr wenige Wochen später erklärte, es werde mit ihm keine Anklageerhebung geben. "Wir hatten einen heftigen Streit, er knallte den Hörer auf, seither haben wir nicht miteinander gesprochen."
Häußler hatte behauptet, dass es sich nicht bei dem Massaker nicht um Mord, nicht um eine grausame Tötung gehandelt habe. Niedrige Beweggründe könnten nicht nachgewiesen werden. Das Massaker an den mehreren Hundert Frauen, Kindern und alten Menschen hätte auch eine aus dem Ruder gelaufene Bandenbekämpfung gewesen sein können, weil es keinen schriftlichen Befehl gegeben habe und die Beschuldigten vielleicht erst später von der Sache erfahren haben.
Einen ersten Dämpfer bekam Bernhard Häußler mit dieser Einschätzung schon 2013. Oberstaatanwalt Peter Rörig hat für die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart zumindest anerkannt, dass es Mord war. Es sei erwiesen, "dass Angehörige der Kompanie an grausamen Tötungen bzw. Tötungen aus niedrigen Beweggründen" beteiligt waren. Dennoch bestätigte Rörig die <link http: www.kontextwochenzeitung.de uploads tx_news pressemitteilung.pdf _blank>Einstellung des Verfahrens, da sich die Mordtaten nicht einzelnen Personen zuordnen ließen. (Hier der <link http: www.kontextwochenzeitung.de uploads tx_news bescheid.pdf _blank>Bescheid als PDF.)
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Schmid Eberhard
am 31.12.2014