"Wir setzen uns an der Seite der Flüchtlingsverbände, der Kirchen und anderer Initiativen für einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen ein", heißt es im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung. Wie ernst sie es mit der Humanität meint, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
1993 wurde durch den sogenannten Asylkompromiss das Asylrecht in Deutschland weitgehend ausgehöhlt. Ein Bestandteil der Grundgesetzänderung war die Möglichkeit, "sichere Herkunftsstaaten" zu definieren. Asylanträge von Personen aus diesen Ländern werden in der Regel und ohne ausführliche Begründung als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Bisher wurden nur die EU-Staaten, Ghana und Senegal als "sicher" eingestuft. Doch das soll sich jetzt ändern. Die Bundesregierung will auch Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien auf die Liste setzen.
Im Eiltempo hat die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz durch den Bundestag geprügelt. Und das, obwohl für Roma und Homosexuelle der Westbalkan alles andere als sicher ist, wie die Berichte zahlreicher staatlicher und nicht staatlicher Organisationen belegen. Die Europäische Kommission stellt etwa fest, dass Roma und Homosexuelle in der Gesellschaft auf breit geteilte Ablehnung stoßen und Opfer von Hetze, Gewalt und Einschüchterungsversuchen werden.
Die Arbeitslosigkeit unter Roma liegt in Bosnien bei 99 Prozent. Die Lebenserwartung von Roma ist in Mazedonien zehn Jahre kürzer, die Kindersterblichkeit mehr als doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt. Selbst das Europäische Asylunterstützungsbüro, das die EU-Staaten bei der Rechtfertigung restriktiver Asylpolitik unterstützt, kommt zu dem Ergebnis, dass die vielfältigen Diskriminierungen von Roma sich zu asylrelevanter Verfolgung summieren können. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat erst im März dieses Jahres zwei serbischen Roma den Flüchtlingsstatus zugesprochen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass alle kompetenten Akteure das von der Bundesregierung geplante Gesetz ablehnen. Wohlfahrtsverbände, Menschenrechtsorganisationen, die katholische und evangelische Kirche, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und das Institut für Menschenrechte: Alle haben sich gegen die Änderung ausgesprochen. Reinhard Marx, einer der führenden Asylrechtsanwälte Deutschlands, hält die Regelung für verfassungs- und europarechtswidrig.
Die Bundesregierung biegt sich die Fakten zurecht
Das alles interessiert die Bundesregierung herzlich wenig. Stattdessen greift sie einseitig auf die Statistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zurück. Diese würden belegen, dass in den betreffenden Ländern weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung stattfinden. Sie beruft sich dabei auf Fakten, die sie selbst geschaffen hat. Die Anerkennungsquoten sind seit Herbst 2012 gesunken, als der damalige CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich den "Armutsflüchtlingen" vom Westbalkan den Kampf ansagte und das Bundesamt anwies, deren Asylanträge prioritär zu behandeln. Zuletzt lag die Quote bei 0,3 bis 0,5 Prozent.
3 Kommentare verfügbar
Rolf Steiner
am 07.08.2014Jetzt schämt sich die SPD nicht, diese weiteren menschenverachtenden Maßnahmen weiter zu verschärfen. Und bald ist mit ihrer…