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Demokratie und Strumpfhosen

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Dass Julian Assange an die USA ausgeliefert werden darf, ist menschenverachtend auf so vielen Ebenen. Der Deutsche Journalisten-Verband "ist geschockt über die Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel", Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, spricht von einer "Schande für den Rechtsstaat". Auch Amnesty International setzt sich seit Jahren für Assanges Freiheit ein. Dass investigative Journalist:innen in Diktaturen inhaftiert oder umbracht würden, sei eine erschreckende Realität, schreibt Karina Geiger von Amnesty International Stuttgart in einem Gastbeitrag für Kontext. "Wenn aber auch demokratisch verfasste Staaten unliebsame Informationen unterdrücken wollen und deren Veröffentlicher:innen einsperren, dann ist das ein großer Rückschritt für die internationale Presse- und Meinungsfreiheit und gefährdet unsere Demokratie."

Die Demokratie muss ganz schön was aushalten, im Großen wie im Kleinen. Auch demnächst wieder, wenn die AfD – nach ihrem Bundesparteitag vom Wochenende – Anfang Juli ihren Landesparteitag in Baden-Württemberg abhält. "Ein weiterer Rechtsruck ist programmiert", schreibt unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer. Aber man braucht gar nicht nach England zu schauen oder weit nach rechts, um gravierende Probleme vorzufinden. Es muss ja nicht gleich ein Skandal vom Kaliber sein, einen Whistleblower wegen der Enthüllung von Kriegsverbrechen einsperren zu wollen. Aber wie gut ist es für die Demokratie, wenn sich ehrenamtliche Bezirksbeiräte den Buckel krumm schuften – um bei der Entscheidungsfindung von Gemeinderat und Stadtverwaltung weitgehend ignoriert zu werden? Oder das Fallbeispiel Schoettle-Areal in Stuttgart-Heslach: Alle stehen in den Startlöchern, dieses Areal zu entwickeln, eine zivilgesellschaftliche Initiative hat bereits ausgereifte Ideen vorgelegt, nur der Baubürgermeister und die Verwaltung schnarchen, wie Kontext-Autor Dietrich Heißenbüttel beschreibt.

Da loben wir uns doch Jon-Ivar Nygård, den norwegischen Verkehrsminister, mit dem der baden-württembergische Amtskollege Winfried Hermann (Grüne) jüngst in Oslo unterwegs war. Nygård sagt, es sei toll, "dass die Leute Elektroautos nutzen". Es sei aber weniger toll, "wenn Menschen in ihre Autos steigen und in belebte Stadtgebiete fahren, anstatt sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen". Wahre Worte. Und hier geht es ja nur um Stromer. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist am gestrigen Dienstag gleich gegen Mercedes-Benz vors Stuttgarter Landgericht gezogen, um den Autobauer unter anderem zu zwingen, bis 2030 den Verkauf von Verbrenner-Autos zu stoppen. Mercedes sei mitverantwortlich für die fortschreitenden Klimakrise, sagt die DUH. Das Gericht war skeptisch, wird berichtet, eine Entscheidung will es am 13. September verkünden.

Da scheint doch schon wieder das "allgemeine Problem der kapitalistischen Wertschöpfung" durch! Großes Thema, das am Rande sogar Eingang fand in den Karikaturen-Workshop mit der Berliner Zeichner-Legende Gerhard Seyfried, den unser Redakteur Oliver Stenzel vergangene Woche in Kooperation mit der Stuttgarter Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) ausgerichtet hat. Seyfried ist sich sicher: Einer der Auswüchse des Kapitalismus ist die beklagenswerte Strumpfhosen-Qualität – früher hätten die Dinger ewig gehalten. Bis einer die Laufmasche erfand.

Zur Erbauung noch eine gute Nachricht: "METROPOL: DIE WENDE", schreibt unser Kolumnist Joe Bauer in den sozialen Medien. Denn offenbar hat der Protest etwas bewirkt und es ist doch noch nicht beschlossene Sache, dass das denkmalgeschützte und kulturhistorische Gebäude des Metropol-Kinos in Stuttgart zur Boulder-Oase wird. Baurechtsamt und Denkmalschutzbehörde haben den Antrag, dort eine Kletterhalle zu errichten, jüngst abgelehnt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtsgültig, also warten wir ab.


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