KONTEXT:Wochenzeitung
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Raus aus dem Drama

Raus aus dem Drama
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Was für ein Trauerspiel! Da verliert eine Zeitung nahezu ein Viertel ihrer Redaktion und der Chefetage fällt nichts anderes ein, als auf wirtschaftliche Notwendigkeiten hinzuweisen. Kein Wort des Bedauerns, kein Gefühl für Gefühle, nicht einmal der Versuch, etwas Menschliches zu verstehen. Hauptsache raus, Hauptsache Sparziel erreicht. Unter den 50 Betroffenen sind Mitarbeiter:innen, die Jahrzehnte im Stuttgarter Pressehaus waren. Sie haben keine Schrauben gezählt, sie haben Journalismus gemacht, unter ihnen etliche, die mit Herzblut die Blätter geschmückt haben. Jetzt gehen sie, nicht jene, die verursacht haben, was das Bleiben unerträglich macht: Zeitungen zum Abgewöhnen. Wenn das (vermeintliche) Bauchgefühl der Kundschaft das Maß aller Dinge ist, ist der Kopf verloren und das Medium tot. So es ein ernst zu nehmendes sein will.

Bei so viel Elend hilft manchmal nur die Flucht. Deshalb büxen wir gerne aus und gucken rum, was anderswo so passiert. In Innsbruck zum Beispiel. Am vergangenen Wochenende kündeten dort blaue Fahnen "Internationale Tage der Information" an, mit 50 Veranstaltungen und 100 Referent:innen aus 20 Ländern. Und mitten rein ging's ins Getümmel der Kolleg:innen von der Berliner taz, der Züricher WOZ, der Hamburger "Zeit", dem Wiener "Falter" und dem "Standard", der Rechercheure Obermayer und Obermeier, bis hin zu Edward Snowdens Anwalt Robert Tibbo. Das lüftet durch, lässt die Enge des Stuttgarter Kessels verschwinden und könnte allein wegen der Freude über viele nette Menschen sinnstiftend sein. Just for fun sozusagen. War es aber nicht nur: Kontext-Chefredakteurin Susanne Stiefel war zur Podiumsrunde über Qualitätsjournalismus geladen, der von Leser:innen finanziert wird. Ein "erfolgreiches Beispiel" sei Kontext, hieß es im Programmheft. Da wollen wir nicht widersprechen. Und müssen uns manchmal selbst kneifen, dass es uns schon 11 Jahre gibt.

Das wollen wir feiern. Mit einem großen Fest am 12. Juni im Stuttgarter Theaterhaus. Mit einer Karikaturenausstellung und dem Politcomic "Der Ökodiktator", weil es auch in schlechten Zeiten was zu lachen geben muss. Das wird auch Vernissage-Redner Gerhard Seyfried, der meistbeklaute Comiczeichner der Republik, bestätigen (17 Uhr). Und ja, wir machen uns auf einem Panel auch Gedanken über die Zukunft des Journalismus (15 Uhr). So ist Kontext schließlich vor 11 Jahren entstanden.

Aber keine Bange: Wir wollen mehr als diskutieren. Zum Fest am frühen Abend (18.30 Uhr) spielt Thabilé auf, eine Künstlerin aus Soweto, Südafrika. Ihre sanfte und zugleich starke Stimme verbindet Elemente aus Jazz, Soul und traditioneller afrikanischer Musik. Der Freiburger Kabarettist Jess Jochimsen, der 2006 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor gewonnen hat, provoziert Lacher, die auch mal im Hals stecken bleiben. Für Zwischenrufe und Widerborstiges werden auch die zwei Kontext-Kolumnisten Peter Grohmann und Joe Bauer sorgen. Wir freuen uns auf Fest- und Vergnügungssüchtige! Karten gibt es ab sofort im Theaterhaus.

Verdi gewinnt bei Breuninger dazu

Der Kontext-Artikel über die schlechte Bezahlung bei Breuninger hat gewirkt. Vor allem bei Breuninger selbst, erzählt Klara Dippert, Verdi-Mitglied und Betriebsrätin. "Das war ein großes Thema bei uns." Und die Reaktionen? "Wer mir nicht wohlgesonnen war, war es auch danach nicht. Aber meine Kolleginnen hier fanden's gut." Außerdem hätten viele Kolleg:innen aus anderen Firmen gratuliert. Bei der Wahl vorige Woche, bei der sechs Listen angetreten waren, hat Verdi zwei Sitze dazugewonnen und stellt nun sechs Betriebsrät:innen in dem 29-köpfigen Gremium. Ein Erfolg, der Mut macht für die kommende Arbeit.


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