Der Name Stant'Anna di Stazzema steht heute für eines der schlimmsten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs auf italienischem Boden. Am 12. August 1944 ermordeten Soldaten der Waffen-SS in dem toskanischen Bergdorf rund 500 Menschen, Frauen, Männer, Kinder. "Gäbe es Enrico Pieri und Enio Mancini nicht, wer weiß, ob die Welt überhaupt von diesen Kriegsverbrechen erfahren hätte", schrieb 2018 Kontext-Autor Sandro Mattioli. Pieri und Mancini überlebten als kleine Jungen das Massaker, verloren aber Dutzende Familienmitglieder. Beide setzten sich in den vergangenen Jahrzehnten mit viel Energie und Beharrlichkeit dafür ein, dass es eine Erinnerung daran gibt, und dass Lehren für die Zukunft daraus gezogen werden. Für Pieri ist dieses Engagement nun zu Ende. Er starb am 10. Dezember im Alter von 87 Jahren in Pietrasanta.
Ein Anliegen von Pieri war immer auch, dass die Täter von Sant'Anna strafrechtlich verfolgt werden und sich vor einem Gericht verantworten müssen. Es blieb ein unerfülltes Ziel. Erst 2004 eröffnete das Militärgericht La Spezia ein Verfahren gegen zehn am Massaker beteiligte SS-Offiziere, Pieri trat dabei als Nebenkläger auf. Alle Angeklagten wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch keiner von ihnen wurde von Deutschland ausgeliefert oder hier inhaftiert. Dass die Aufarbeitung zu einer veritablen Justizschande wurde, liegt wesentlich am Stuttgarter Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler (Kontext hat mehrfach darüber berichtet). Seit 2002 ermittelte auch Häußlers Abteilung gegen neun der in La Spezia Angeklagten. Nach einem schon skandalös in die Länge gezogenen Verfahren stellte sie 2012 die Ermittlungen ein – Häußler sagte, man habe den Beschuldigten keinen "konkreten Tatbeitrag", weder Mord noch Beihilfe zum Mord nachweisen können. Pieri legte im Januar 2013 Beschwerde gegen die Einstellung ein, und das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied im August 2014 in seinem Sinne. Doch es war schon zu spät, nur noch ein Beschuldigter lebte, und der wurde 2015 als "dauerhaft verhandlungsunfähig" erachtet. Es war für Pieri ein "zweites Trauma".
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Gerd Rathgeb
am 16.12.2021