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Führung als Farce

Führung als Farce
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Was ist los mit der Ehre von Hermann Eicher? Fast einen Monat ist es her, dass es mit ihrer Wiederherstellung nicht schnell genug gehen konnte. So wollte es der einstige erste juristische Direktor des Südwestrundfunks (SWR). Unter anderem sollte es Kontext und Stefan Siller verboten werden, zu verbreiten, dass eine Vereinbarung zwischen dem SWR und Sandra Dujmovic im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung auch der Erledigung des Vorwurfs der sexuellen Belästigung gedient habe. Darüber hinaus geht es darum, zu welchem Zeitpunkt Eicher detailliert über den erhobenen Vorwurf der sexuellen Belästigung informiert worden ist. Auch diverse Äußerungen von Karl Geibel missfallen Eicher und sollen zukünftig unterlassen werden. Dies in einer Unterlassungserklärung zu unterschreiben, sahen wir uns außerstande, vor dem Hintergrund eines anderen Kenntnisstands.

Um seinem dringlichen Begehren Nachdruck zu verleihen, behielt sich Eicher einstweilige Verfügungen vor, vorbereitet von einer sehr exklusiven Kanzlei, beantragt beim Hamburger Landgericht. Diese Verfügungen sind jetzt auf dem Postweg eingegangen. Darin lässt das Gericht einige Aussagen zu, andere nicht. Dies ist nun zu prüfen.

Unterdessen sind auch andere Botschaften eingetroffen. Der Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes übermittelt sein Erstaunen über Eichers Ehrenrettung in eigener Sache. Man erlebe es nicht alle Tage, schreibt Hendrik Zörner, "dass sich Denkmäler selbst zum Einsturz bringen". Genau das mache Eicher aber gerade. Er setze Promi-Anwälte gegen den Gewerkschafter Geibel in Bewegung, weil dieser nichts anderes tue, "als die Interessen einer Journalistin zu vertreten". Und wer es wage, darüber zu berichten, "soll sich gleich mit warm anziehen". Fazit des djv-Sprechers: "Eine Farce!"

Aus der Berliner Zentrale von Verdi meldet sich das Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz mit einer klaren Ansage. Es sei ein "Unding", betont der gelernte Journalist, dass der SWR, angesichts der Schwere der Vorwürfe, über diese lange Zeit keine Klärung herbeiführen konnte. Statt juristisch gegen die Berichterstattung vorzugehen, sollte der Sender alles unternehmen, damit die Beschäftigten "ohne Angst und Diskriminierung" ihrer Arbeit nachgehen können. Gerade eine öffentlich-rechtliche Anstalt müsse bei der Me-Too-Debatte ihrer besonderen Verantwortung und Vorbildfunktion gerecht werden.

Das könnte auch Hans-Albert Stechl, der Verwaltungsratsvorsitzende des SWR, unterschreiben. Immer wieder hat er Intendant Peter Boudgoust, dessen Nachfolger Kai Gniffke und Eicher dasselbe gefragt: Warum lasst ihr den Zug gegen die Wand fahren? Entgegen jeglicher Vernunft? Warum müsst ihr vors Arbeitsgericht? Ist euch nicht klar, dass bei einem gerichtlichen Streit das Medienecho verheerend ist, dass euch der Prozess um die Ohren fliegt? Und jetzt zieht der ehemalige Chefjustiziar noch gegen einen Rundfunkrat zu Felde, dem fast nichts heiliger ist als der öffentlich-rechtliche Auftrag. Dazu gehört auch Kritik. Das sei ziemlich einmalig in der ARD, sagt Stechl, zumal, wenn es sich um einen der erfahrensten Köpfe im Rundfunkrat handle. Aber da schweige des Sängers Höflichkeit.

Adolf Weiland, der Vorsitzende jenes Gremiums, dem Geibel als dienstältestes Mitglied angehört, zieht es vor, sich rauszuhalten. Auf Anfrage bittet er um Verständnis dafür, dass er sich "nicht einmischt". Es sei allerdings das selbstverständliche Recht eines jeden und einer jeden, fügt er hinzu, die Wahrung seiner beziehungsweise ihrer Persönlichkeitsrechte einzufordern. Zumindest sprachlich ist der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz auf dem Quivive. Voll geschlechtergerecht.


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