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RAF geht immer

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Historische Analogien sind eine heikle Sache. Das zeigte sich nach dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol in Washington. Unter dem Eindruck der Bilder aus den USA äußerte etwa der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder gegenüber der "Welt am Sonntag" die Befürchtung, dass sich in Deutschland "eine Art Corona-RAF bilden könnte, die zunehmend aggressiver und sogar gewalttätig werden könnte" – womit er wiederum eine drei Wochen zuvor geäußerte These des Politologen Peter Neumann aufgriff.

Momentchen, Corona-RAF? Sind wir da nicht auf der falschen Seite der politischen Skala? Waren es bei den Stürmenden in Washington nicht größtenteils Leute aus der extrem rechten Szene? Entstand die RAF nicht, so sehr man ihre Taten verurteilen mag, aus dem linken Milieu der Studentenbewegung? Selbst Arnold Schwarzenegger war da bei der politischen Einordnung der Ereignisse präziser, auch wenn er im Vergleich mit der Reichspogromnacht dann an anderer Stelle übers Ziel hinausschoss.

Ach, Wortklauberei, Terror ist Terror, hört man da schon die Hufeisen-schwingenden Apolegeten der Extremismustheorie entgegnen. Und die RAF ist halt einfach die deutsche Referenzkategorie für Terror, das nationale Vorzeigeprodukt in diesem Sektor. RAF geht immer. Triggert zuverlässig. Fast so gut wie Hitler.

Zu beobachten kürzlich auch in der "Stuttgarter Zeitung". Ein Artikel widmete sich, suggerierte zumindest die Dachzeile, der Gründung der Fantasia-Druckerei in der Stuttgarter Schlosserstraße vor 50 Jahren. Die sei, so der Titel, "Die Stuttgarter Keimzelle der RAF" gewesen. Ach echt? Begründung: Fantasia-Mitgründer Christof Wackernagel und einige MitbewohnerInnen der WG über der Druckerei schlossen sich in der zweiten Siebzigerhälfte der Terrorgruppe an.

Genauso gut könnte man die Aktionen an der Stuttgarter Kunstaka Ende der 1960er zur RAF-Keimzelle erklären, denn dort wurde ein gewisser Klaus Croissant erstmals als Rechtsanwalt linker Gruppen aktiv, dessen Büro später als eine Art Kommunikationsdrehscheibe der RAF diente. Aber wie gesagt: triggert halt zuverlässig.

Danke für die Spenden!

Grazie, obrigado, gracias, merci, thank you, falemenderit, takk, teşekkürler: Wir sagen danke, liebe SpenderInnen!

Da haben wir es doch fast verschlafen, pünktlich zum Jahresende daran zu erinnern, dass Kontext ein rein spendenfinanziertes Projekt ist, anzeigenfrei, und deshalb eine gute Anlage für das 13. Monatsgehalt. Zumindest für einen Teil davon. Schuld war, klar, Corona. Und dass wir so beschäftigt damit waren, jeden Mittwoch gut recherchierte Geschichten zu liefern für unsere LeserInnen. Dazu kamen noch nervige, aber garantiert coronafreie Online-Konferenzen und schwupps war das Ende des Jahres da – und wir hatten ein Loch in der Kasse. Hilfe!

Vier Frauen hatten Erbarmen und haben für uns die Werbetrommel gerührt: Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin, Charlotte von Bonin und Nisha Toussaint-Teachout von Fridays for Future Stuttgart und die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Ariane Raad. Wir freuen uns, dass sie spontan sagten: Na klar, wir sind dabei.

Aber vor allem sagen wir unseren zahlreichen SpenderInnen von Dresden über Hamburg bis nach Stuttgart und Tübingen danke. Denn tatsächlich haben Sie es mal wieder geschafft, das Loch zu stopfen und unseren Kassier Johannes Rauschenberger glücklich zu machen. Und natürlich uns JournalistInnen auch. Denn Sie halten uns mit Ihrer Unterstützung den Rücken frei, damit wir in der Kontext-Redaktion weiter unseren Job machen können. Danke, Community, Ihr seid unsere HeldInnen.

Und damit mit Volldampf ins neue Jahr.


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1 Kommentar verfügbar

  • Rainbow-Warrior21
    am 13.01.2021
    Antworten
    Den Dank am Schluss des Artikels gebe ich gern an die KONTEXT-Macher*innen und das gesamte Redaktionsteam zurück. Ihr macht echt faktenbasierten Qualitätsjournalismus auf tollem Niveau-und das sogar abseits der "offiziellen" ÖR-Medien" ;-) !

    Zum Söder Interview: RAF ist schon mal das falsche…
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