KONTEXT:Wochenzeitung
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"Bild" ist keine Reise wert

"Bild" ist keine Reise wert
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Das Email-Postfach, immer wieder ein Quell großer Überraschungen. So etwa vor zwei Wochen bei Kontext-Autor Mario Damolin. In seinem Posteingang lag eine Mail von "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt. Der lud ihn "herzlich" zu einem Redaktionsbesuch nach Berlin ein, da könne Damolin "seine Vorurteile einer Recherche aussetzen". Besagte Vorurteile hat Damolin nach Reichelts Meinung in seinem Artikel <link https: www.kontextwochenzeitung.de medien bild-chef-im-delirium-5759.html _blank internal-link-new-window>"'Bild'-Chef im Delirium" in Kontext-Ausgabe 414 geäußert, einem Bericht über eine Podiums-Diskussion über "Ethik und Moral im Journalismus" in Heidelberg, zu der der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma den "Bild"-Mann geladen hatte. Auch vom Moderator der Diskussion, dem wissenschaftlichen Leiter des Zentralrats Herbert Heuß, erreichte Kontext eine Reaktion, allerdings keine Einladung; Heuß schickte eine Replik unter dem Titel "Kontext verfehlt" (<link file:44024 download>hier nachzulesen).

Sonderlich zimperlich ist unser Autor da tatsächlich weder mit Reichelt noch den Veranstaltern umgegangen, doch seine Kritik kam nicht nur mit einem gerüttelt Maß Süffisanz, sondern auch wohlbegründet daher. Und wohlbegründet ist auch seine <link https: www.kontextwochenzeitung.de medien ich-muss-ihre-einladung-leider-ausschlagen-5791.html _blank internal-link-new-window>Absage an die Umarmungsversuche des "Bild"-Chefredakteurs in unserer aktuellen Ausgabe – für die uns sowohl der Künstler Peter Lenk als auch Comic-Legende Gerhard Seyfried ein paar Motive zur Illustration überließen. Die nebenbei auch zeigen: Bei "Bild" besteht eine gewisse Kontinuität im sensationsheischenden Schmierenjournalismus.

Mit einem besonders makabren Glanzstück vor wenigen Tagen, als "Bild.de" einen Zusammenschnitt der Video-Aufnahmen des Attentäters von Christchurch auf seine Website stellte - zu einem Zeitpunkt, als die neuseeländische Polizei per Twitter bereits gebeten hatte, das Video nicht zu verbreiten. "Bild.de" tat es trotzdem, und Reichelt selbst schrieb dazu: "Wir zeigen diese Bilder ganz bewusst. Wir glauben, dass wir diese Bilder zeigen müssen." <link https: bildblog.de wie-bild-den-terroristen-hilft _blank external-link-new-window>"Wie 'Bild' den Terroristen hilft", kommentierte das Medienportal Bildblog den ethisch-moralischen Sprung ins journalistische Klo.

Gar nicht genug schreiben kann man dagegen über den Wahnsinn auf dem Wohnungsmarkt, speziell in Stuttgart; Immobilienfirmen sorgen immer wieder für exorbitante Sprünge bei den Mieten, ein Thema, über das wir immer wieder berichtet haben. Und gerne präsentieren sie sich dabei nach außen als bodenständige, vertrauenswürdige Familienunternehmen, eine perfide Masche, auf die so manche Hausbesitzer schon reingefallen sind, die ihre Immobilie eigentlich nicht an einen Blutsauger verkaufen wollten. Ein Beispiel ist die Schwäbische Bauwerk, die Kontext-Redakteurin Anna Hunger in ihrem Text <link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft schwaebische-bauwerk-5794.html _blank internal-link-new-window>"Das Kämmerle muss geräumt werden" unter die Lupe nimmt. Wie aber dem begegnen? Ein Haus besetzen, wie es Mitglieder des Aktionsbündnisses Recht auf Wohnen kürzlich in der Forststraße 140 taten? Tatsache ist: Das Haus stand lange leer, das Stuttgarter Rathaus betont zwar Vermittlungsbereitschaft, doch die Eigentümer stellen sich stur. Wie die ganze Sache auch ausgeht: Die Hingabe, mit der die AktivistInnen das besetzte Haus am vergangenen Wochenende in "solidarischer Renovierung" verschönerten, wärmte unser Herz. Und ist daher<link https: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne forststrasse-140-instandrenoviert-5796.html _blank internal-link-new-window> in einer Schaubühne dokumentiert.

Große Sprünge weit erquicklicherer Natur sollten die Sprungfederstiefel Gustav Mesmers erlauben, des "Ikarus vom Lautertal". Ein zauberhaftes Buch über dessen ganz eigene Welt hatten wir <link https: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne ein-buch-wie-ein-kleines-wunder-5724.html internal-link-new-window>in Kontext-Ausgabe 412 vorgestellt. Um die sein Werk erhaltende Gustav Mesmer Stiftung zu unterstützen, haben wir zudem, nach einer redaktionsinternen Kollekte, die Patenschaft für den originellen Stiefel übernommen. Als Dank flatterte von Mesmer Stiftung nun ein Druck mit den Sprungfedergaloschen in die Redaktion, der jetzt dort an der Wand hängt. Und uns daran erinnert, selber immer wieder große Sprünge zu wagen - für einen Journalismus, der kritisch und beharrlich ist und nicht auf niedere Instinkte abzielt.


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3 Kommentare verfügbar

  • Charlotte Rath
    am 21.03.2019
    Antworten
    Bemerkenswert: Über Monate kein Wort in der KONTEXT-Wochenzeitung zum Vorgehen der Sicherheitskräfte in Frankreich gegenüber Demonstranten, nur wenige Stunden Bahnfahrt von Stuttgart entfernt. Ist der „Schwarze Donnerstag“, der im Vergleich dazu harmlos war, schon vergessen? Wo ist die Solidarität…
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