KONTEXT:Wochenzeitung
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Sich grade machen

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Es ist un-fass-bar! Die AfD hat Verbindungen zu Rechtsextremen! Diese Erkenntnis plagt inzwischen sogar den Verfassungsschutz, <link https: www.sueddeutsche.de politik verfassungsschutz-afd-und-hamburger-rechtsextreme-pflegen-enge-kontakte-1.4116031 external-link-new-window>zumindest den Hamburger. Und auch Thomas Strobl ist es nicht verborgen geblieben: Die AfD "entwickelt sich in Richtung Rechtsextremismus", stellte der baden-württembergische Innenminister (CDU) vergangenen Freitag fest und ist damit beinahe auf der Höhe der Zeit. 

Zum Glück gibt es noch den baden-württembergischen Verfassungsschutz, der seine Hausaufgaben im Gegensatz zu anderen Behörden noch ordentlich macht und sich in diesen chaotischen Tagen besinnt, wo der eigentliche Feind steht: links natürlich!

So steige die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten im Ländle, berichtete die "Stuttgarter Zeitung" vergangene Woche unter Berufung auf die Grundgesetz-Freunde. 720 Personen sollen es jetzt sein, 40 mehr als noch im Vorjahr? Da reibt man sich verwundert die Augen. Es müssen doch viel mehr sein! Allein um ihre Solidarität mit diesem "Hans G." zu zeigen, den der Kopp-Verlag in Kollaboration mit AfD und StN <link https: www.kontextwochenzeitung.de medien wer-hat-angst-vor-diesem-mann-5310.html _blank internal-link-new-window>als gefährlichen Linksextremisten entlarvt haben will, unterschrieben mehr als 1000 Menschen. Alle verdächtig, mindestens. Und bundesweit sind es 65 000 Linksextremisten allein in Chemnitz, vorsichtig geschätzt. Ein ganz heißer Anwärter für die schlapphutbürgerliche Bespitzelung ist jedenfalls der Bundespräsident, der seinen Amtsanzug vermutlich bald durch ein Feine-Sahne-Fischfilet-Fanshirt ersetzt.

Eine komische Welt ist das: Während am Samstag in Chemnitz Neonazis "Lügenpresse" skandieren, Kamerateams angegangen und Journalisten angepöbelt werden, feiert das Recherchekollektiv "Correctiv" 500 Kilometer entfernt in Düsseldorf den Journalismus und die Presse – und das gleich drei Tage lang. Mit tausenden Besuchern und dem Ziel, den Journalismus wieder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Beim "Campfire Festival" ging es in Dutzenden Veranstaltungen um Künstliche Intelligenz in Redaktionen, den Klimawandel, Journalisten als Marke, insgesamt gab es zwei Bühnen, 15 Zelte und 150 Programmpunkte. Mit dabei: Kontext.

Auf dem Podium diskutierte Oliver Schröm von Correctiv mit Kontext-Redakteurin Anna Hunger, dem rechtsstreiterfahrenen "Bild"-Reporter Hans-Wilhelm Saure und Uwe Ritzer von der "Süddeutschen Zeitung", der gemeinsam mit seinem Kollegen von einem Geschäftsmann gerade auf 78 Millionen Euro verklagt wird. Das Thema: "Juristen gegen Journalisten". Die Frage: Wie kann Pressefreiheit verteidigt werden, wenn Gesetze immer mehr zu Ungunsten der Berichterstattung verschärfen werden, wenn sich Kanzleien auf die Fahnen schreiben, unliebsame Berichterstattung kleinzukriegen? Das Problem ist immens und die Antwort eine schwierige. "Bild"-Mann Saure brachte es zumindest altersweise auf eine griffige Formel: "Ruhe bewahren und sich grade machen". Und in der Not medienübergreifende Solidarität walten lassen, anstatt den verklagten Kollegen mit Häme zu begegnen. Denn gemeinsam ist man immer stärker.


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2 Kommentare verfügbar

  • Schwa be
    am 09.09.2018
    Antworten
    Gute Nazis, böse Nazis: Chemnitz im Schatten selektiver Betroffenheit
    Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Vorfälle in Chemnitz nicht die Schlagzeilen beherrschte. Die Betroffenheit über “rechte Lynch-Mobs” erfasste gleichermaßen die Redaktionen wie auch weite Teile der politischen Elite und der…
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