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Kleiner Bäbber, große Wirkung

Kleiner Bäbber, große Wirkung
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Da hat ein provokanter Spruch zum Stuttgarter Kirchentag doch tatsächlich den Blätterwald zum Rauschen gebracht. "Jesus würde oben bleiben", steht da auf knallgelben fünf mal fünf Zentimetern, und sofort schien klar: Da haben S-21-Gegner zugeschlagen. Die gibt es in Stuttgart in immer noch beträchtlicher Zahl, und sie sind auch beim Christenfest kreativ. Sie hätten sich nun die Hände reiben können ob des listigen Bäbbers und seiner großen Wirkung. Doch hätte, hätte, Fahrradkette! Im Netzwerk des Widerstands, auf parkschuetzer.de, ist eine bierernste und heftige Diskussion entbrannt – von theologischen Debatten bis hin zum Vorwurf: Das kostet Sympathiepunkte!

Bei der Mahnwache sind schon mal vorsorglich 4000 Stück des gelben Glaubensbekenntnisses verschwunden. Und es wird heftig überlegt, wer denn nun für den umstrittenen Aufkleber verantwortlich ist. Die Theologen gegen S 21, wie manche munkeln? Oder die Parkschützer, wie man in der "Stuttgarter Zeitung" vermutet? Wir wollen das Geheimnis an dieser Stelle lüften: Es war Sibylle Wais.

Unsere Bürochefin nimmt nicht einmal für sich in Anspruch, den lockeren Spruch erfunden zu haben. Der geistert schon lange rum in der Szene der Bahnhofsgegner. Aber wir kennen Sibylle Wais als eine Frau der Tat, die Veranstaltungen – wie etwa kürzlich die Lesung mit Wolfgang Bauer zur Flüchtlingspolitik – effizient organisiert und sich auch sonst energiegeladen um unsere Soli-AbonnentInnen kümmert und nebenbei die Verwaltung schmeißt. Und so hat sie über den Spruch nicht nur gegrinst, sondern kurzerhand 10 000 Stück davon drucken lassen – und aus eigener Tasche 70 Euro bezahlt. Sie hat sich über die Publicity, die bis zur "Süddeutschen" reichte, gefreut und über die Aufregung gewundert.

Vielleicht hätte sie noch "Vorsicht, Ironie!" draufschreiben sollen. Das hätte womöglich all denen geholfen, die glauben, dass beim Kirchentag nicht gelacht werden darf. Oder den Parkschützern, bei denen sich einige durchaus mit Humor über die eigene Humorlosigkeit lustig machten. Doch bevor noch eine weitere Debatte losgeht: Wir von Kontext erklären hiermit in aller Öffentlichkeit, dass wir von dieser Privataktion unserer Bürochefin nichts wussten und sie auch nicht bezahlt haben. Aber wir haben herzlich gelacht.

Aufkleber hin, Kirchentag her: Natürlich beschäftigt der evangelische Megaevent auch uns. Wir berichteten in den vergangenen Wochen etwa kritisch über die <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft zu-viel-kirche-beim-kirchentag-2858.html>Finanzierung aus Steuermitteln, Gastautor Franz Alt ließ sich über <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft nicht-radikal-genug-2913.html>Sinn und Unsinn der Großveranstaltung aus, wir fühlten Kirchentagspräsident und Pharmachef <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft zwischen-geld-und-glauben-2887.html>Andreas Barner auf den Zahn. Und in dieser Ausgabe fordert Thomas Rothschild die <link http: www.kontextwochenzeitung.de politik keine-sonderbehandlung-fuer-glaeubige-2928.html>Abschaffung des Blasphemie-Paragrafen. Nun übernimmt die taz mit einer täglichen Kirchentagsausgabe bis zum kommenden Sonntag. Und wenn Sie uns besuchen wollen: Kontext und taz werden täglich an einem Stand auf der Königstraße präsent sein. Die taz den ganzen Tag, wir ab heute, Mittwoch, in der Regel nachmittags. Damit auch wir klüger werden.


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25 Kommentare verfügbar

  • F. Fischer
    am 11.06.2015
    Antworten
    @Ingmar Grosch, 09.06.2015 13:38

    Jeder hat das Recht, zu machen, was er oder sie oder es für richtig hält. Ob das Gemachte immer gesetzeskonform oder politisch klug ist, ist eine ganz andere Frage.

    Und zu Heine noch kurz. Die beruflichen Verquickungen dieses Herrn mit PRO S 21- Kreisen…
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