KONTEXT:Wochenzeitung
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Medien ohne Profit

Medien ohne Profit
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Die "öffentliche Sache" ist inzwischen wirklich öffentlich. Was 2007 mit ein paar Bloggern in Berlin begann, ist heute ein Großtreffen der Netzgemeinde mit 7000 Besuchern: die re:publica. Auch Kontext war mit dabei und wurde als "Pionier" einer neuen Gattung von Medien gewürdigt – als Vorreiter des Nonprofit-Journalismus. Unser Autor, der die vielen Debatten in Berlin miterlebt hat, zieht ein ermutigendes Fazit: ein Modell mit Zukunft.

Die Projekte werden immer mehr: "Message" heißt das Medienmagazin der Universität Hamburg. "Ein Topf voll Gold" wirft einen kritischen Blick auf die Regenbogenpresse, gegründet von zwei Dortmunder Journalismusstudenten. "Correctiv" ist ein investigatives Medienprojekt in Essen und Berlin, im Untertitel: Deutschlands erstes gemeinnütziges Recherche-Büro. Gemeinnützig, spendenfinanziert, nicht gewinnorientiert – das ist der gemeinsame Nenner dieser Projekte. Auf der re:publica 15, Europas größtem Kongress für das Internet und die digitale Gesellschaft, wurde der Nonprofit-Journalismus gar als "dritte Säule" journalistischer Medienproduktion proklamiert; neben den kommerziellen Verlagen und den öffentlich-rechtlichen Sendern. Und mittendrin die Kontext:Wochenzeitung, die von "Netzwerk Recherche"-Geschäftsführer Günter Bartsch als "Pionier" dieser neuen Gattung gewürdigt wurde.

Doch noch tut sich der Nonprofit-Journalismus in Deutschland eher schwer. Ohne das vom Finanzamt verliehene Siegel "gemeinnützig", sind kaum Spender und Förderer, weder Privatpersonen noch Stiftungen, zu gewinnen. Vielmehr sind in der Abgabenordnung Amateurfunk, Modellflug und Hundesport als gemeinnützige Zwecke vorgesehen. Da ist Fantasie gefragt: Das in der Szene bekannte Blogger-Magazin "netzpolitik.org" reüssierte mit dem "Verbraucherschutz" als gemeinnützigem Zweck, bei "n-ost" , einer Art Presseagentur für Osteuropa, überzeugte die beabsichtigte "Völkerverständigung" schließlich das Finanzamt. Doch viele, vor allem regional- oder lokaljournalistische Neugründungen scheitern an dieser Hürde.

Ganz anders in den USA. Auch dort ist der Journalismus nicht direkt als gemeinwohlwürdig im Gesetz genannt. Aber bereits der Zweck "educating the public" , also Erziehung der Öffentlichkeit, reicht, um den begehrten Status zu erhalten und die Spenden zum Sprudeln zu bringen. So sind dort bereits rund hundert journalistische Projekte in einem Dachverband, dem Institute for Nonprofit News, vereint.

Jetzt hat die FDP-Fraktion (sic!) im Düsseldorfer Landtag einen Antrag eingebracht, dass auch "Journalismus", ohne Hinter- und Nebentürchen, als gemeinnütziger Zweck anerkannt werden soll. Diese Initiative der Liberalen soll nun im Juni einer Expertenanhörung unterzogen werden. Auch "Netzwerk Recherche", so Geschäftsführer Bartsch, will die Sache mit einer Initiative Nonprofit-Journalismus Deutschland befördern.

Nicht verschwiegen werden soll, dass Journalistenverbände, wie etwa die Deutsche Journalisten-Union (dju), das Ganze einigermaßen kritisch sehen. Sie befürchten noch mehr ( Selbst-)Ausbeutung und einen unprofessionellen Do-it-yourself- Journalismus. Allerdings, und auch das wurde bei der re:publica 15 deutlich, gibt es eine ganze Reihe von Missverständnissen über diesen "dritten Weg" im Journalistengewerbe. So heißt "Nonprofit" keineswegs, dass den dort arbeitenden JournalistInnen nichts bezahlt wird. Die meisten gehen von einer Hybridform aus: Bezahlte Mitarbeiter und Ehrenamtliche arbeiten gemeinsam als "Aktivisten der Aufklärung", so Christian Humborg vom Recherche-Büro "Correctiv". Auch müssen weder Vereine noch Stiftungen gegründet werden, um den Status "gemeinnützig" zu bekommen. Selbst die GmbH, ja sogar eine Aktiengesellschaft, kann gemeinnützig sein. Die meisten jungen Projekte, so etwa "Ein Topf voll Gold", starten als UG, als Unternehmergesellschaft. Das ist so eine Art GmbH für Arme, die bereits mit einem Euro Stammkapital gegründet werden kann.

Einig waren sich alle NonprofitlerInnen in der Ablehnung von Bezahlschranken, neudeutsch "Paywalls". Bei "Correctiv" gibt es sogar das Schlagwort "Steal our Story", klaut unsere Geschichten und verbreitet sie weiter – mit Quellenangabe, versteht sich.

So bunt und vielfältig, noch vom Zauber des Anfangs verschönt, zeigt sich dieses Segment der Medienszene heute. Und wir, die AutorInnen, FörderInnen und LeserInnen der Kontext:Wochenzeitung, werden später einmal zu Recht sagen können: Wir sind dabei gewesen!


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7 Kommentare verfügbar

  • Schorsch
    am 17.05.2015
    Antworten
    @Schwabe

    Eigentlich kann ich den meisten Ihrer Beiträge zustimmen, insbesondere in Ihrer Kritik an der neoliberalen Politik. Ihr Kommentar vom 13.05. erscheint mir jedoch bezüglich der Passage "anzustrebende Kostendeckung der öffentlichen Daseinsvorsorge" gänzlich im Widerspruch zu Ihrer…
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