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Starkes Rückgrat

Starkes Rückgrat
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Wieder einmal zu Besuch in der Redaktion war Fritz Kuhn. Zuletzt im März 2012 als Wahlkämpfer, jetzt als Oberbürgermeister. Zusammen mit seinem Sprecher Andreas Scharf, der schon morgens um 6.56 Uhr Mails schreibt. Nach einem Jahr im Amt war Zeit für eine erste Zwischenbilanz, die zumindest eines deutlich machte: den Unterschied zu seinem Vorgänger Wolfgang Schuster (CDU). Mit Kuhn kann man diskutieren und grinsen. Die Gelben Engel des ADAC ("Mehr Hubschrauber im Kessel gehören nicht zu meinem Programm") flickt er noch selbst ins Interview, seine körperliche Ertüchtigung wird zur Pflicht ganz eigener Art. Er bekennt, sich bei Kieser zu stählen, weil ein Oberbürgermeister ein "starkes Rückgrat" brauche. Na, dann fröhliches Gewichteheben.

Zum Glück trainiert Peter Grohmann auch bei Kieser und ist auch sonst ein grundfröhlicher Mensch. Und so verzweifelt unser Kolumnist nicht an der Welt, sondern legt wöchentlich unerschrocken den Finger in die Wunden und würzt die Schärfe seiner Argumente mit einer gehörigen Portion Humor und Selbstironie. Getreu dem Motto: Lachen macht das Denken leichter, um den Ernst der Lage zu begreifen. Egal, ob er über den Umgang mit Flüchtlingen wettert, die Groko in Berlin aufs Korn nimmt oder den Umgang der Justiz mit den Überlebenden des SS-Massakers in Sant'Anna di Stazzema. Dass das Lachen dabei manchmal im Hals stecken bleibt, ist durchaus im Sinne des Erfinders. Und weil Grohmann nicht nur Drucker, Anstifter und ein leidenschaftlicher Kämpfer für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist, sondern auch Kabarettist, ist seine Kolumne in Kontext nicht nur zu lesen, sondern seit einigen Monaten auch als kleine Filmeinlage zu sehen.

Wer austeilt, muss auch einstecken können – das weiß keiner besser als unser Wetterer der Woche. Doch was auf seine Weihnachtskolumne über ihn hereinbrach, hat selbst ihn überrascht. Das Gottlieb-Daimler-Gymnasium in Bad Cannstatt hatte eine interkulturelle Weihnachtsfeier abgesagt, aus Angst, dass das geplante gemeinsame Fest von Christen, Muslimen und Buddhisten von Rechtsradikalen gestört werden könnte. Und weil Grohmann der Überzeugung ist, dass man Rechtsradikalismus mit Mut begegnen muss, dass man sich nicht wegducken darf, wenn Rechtsextreme im Netz drohen, kritisierte er die Entscheidung der Schulleitung. Und schon fegte ein organisierter Shitstorm durchs Netz: "Was für ein Arschloch und Volksverräter, an die Wand mit ihm" – das war der unverhohlen drohende Tenor der anonymen Kommentare.

Nun ist Peter Grohmann so schnell nicht einzuschüchtern. Er wurde bereits mehrfach bedroht, ebenso seine Familie, und in Dresden haben Rechtsradikale ihre Drohungen wahrgemacht und ihn zusammengeschlagen. Doch den Mund lässt er sich dennoch nicht verbieten. Vor wenigen Tagen stellte Grohmann bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen unbekannt wegen Aufforderung zu einer Straftat, Beleidigung und Verleumdung. Manchmal ist Schluss mit lustig. Doch der Spaß hört deshalb nicht auf. In seiner Kolumne nimmt er die anonymen Beleidiger aufs Korn und stellt sich mit muslimischer Gebetsmütze den Zuschauern so vor: "Hier spricht das Arschloch der Volksverräter."

Wir von Kontext freuen uns, dass dieser unerschrockene Wetterer wöchentlich in Kontext seine Stimme erhebt, und sind gespannt auf weitere freche, kluge und lustige Kolumnen. Peter, der Spaß geht weiter!


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1 Kommentar verfügbar

  • Bernhard Hindersin
    am 29.01.2014
    Antworten
    8 ziemlich lehre Zeilen - War das alles was OB Fritz Kuhn zur ersten Zwischenbilanz eines Arbeitsjahres mit "starkem Rückgrat" wußte?
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