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Bild wird 100

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"Bild" wird 100 – das soll keine Drohung sein, nur eine Befürchtung. In diesen warmen Tagen drängeln sich Hinz und Kunz ums kalte Büfett von Friede Springer, nur Günther Wallraff und die aus der Rudi-Dutschke-Straße mauern noch. "Bild" überschwemmt Deutschland, und die Medien ziehen ihre Röcke hoch und machen einen Hofknicks.

"Bild" wird 100 – das soll keine Drohung sein, nur eine Befürchtung. In diesen warmen Tagen drängeln sich Hinz und Kunz ums kalte Büfett von Friede Springer, nur Günther Wallraff und die aus der Rudi-Dutschke-Straße mauern noch. "Bild" überschwemmt Deutschland, und die Medien ziehen ihre Röcke hoch und machen einen Hofknicks. Zugegeben, "Bild" hat journalistische Standards gesetzt, und wenn Friede Springer ihre Busenfreundin Angela Merkel trifft beim fair gehandelten Kaffeekränzchen, weiß jede, dass die andere nur das eine will: Macht.

Warum auch sollen es beiden besser haben als Johanna Quandt oder Maria-Elisabeth Schaeffler oder Madeleine Schickedanz? Kluge Frauen wissen es doch schon lange: Geld allein macht nicht glücklich, auch wenn es in (und nicht nur in Deutschland) mehr Milliardäre (pardon: und Milliardärinnen!) gibt als je in der Geschichte zuvor. Da ist es nur ein kleiner Trost, dass es auch mehr Hartz-IV-Empfängerinnen gibt. Nehmen wir das Paradebeispiel Meike Schlecker, die alles verloren hat: ihren Vater und seinen guten Ruf, das Renommee ihrer Filiale, in der sie viele Jahre lang die Regale füllte und die Kasse machte, aber auch Haus, Hof, Garten, wenn auch in Ehingen, dann das Bootle im Ulmer Donauhafen. Urlaub? Nicht dran zu denken! Allenfalls ein Ausflug ins Naturfreundehaus Spatzennest, da kann man noch sein Vesperbrot mitbringen, und keiner meckert. Alte Arbeiterbewegung eben. Und doch bleibt Meike nur eine der vielen Frauen in der großen Schlecker-Familie, die in stiller Solidarität an ihre Kolleginnen denkt und sich den Rest vom Fest (etwa 40 Millionen) auch noch mit einem Mann teilen muss – ausgerechnet dem Bruder Lars. Das ist alles andere als lustig – und doch hätte es schlimmer kommen können. Ich sage nur: Margot Honecker! Nicht mehr geliebt, nicht mehr gelobt, ihr Einfluss aufs "Neue Deutschland" bleibt in diesen Tagen kleiner als der von Angela Merkel auf "Bild". Oder umgekehrt?

Peter Grohmann.Geld verdient man nicht, meinte meine Omi Glimbzsch aus Zittau ab und an, zu Geld kommt man. Der ältere Eidgenosse, der das 2008 versuchte, konnte offenbar den Hals nie voll genug kriegen, und so etwas geht schief. Erinnern wir uns: Der Kerl aus Graubünden oder so ging mit einer der reichsten deutschen Frauen fremd – es reichte ihm nicht, sie zu vernaschen, er musste sie auch noch erpressen! Aber so sind sie, die Eidgenossen. Susanne Klothen (oder Klattner?) hat sich jedenfalls an die Behörden gewandt (wer traut schon den Detektiven aus der eigenen Familie?). "Bild" berichtete: Der Kerl wurde erwischt, von einem "Bild"-Reporter. Klassenjustiz, mehr sage ich nicht. Heute, vier Jahre später, ist alles anders. "Bild"-Niveau haben fast alle, aber "Bild" ist etwas milder geworden, meinte Günter Wallraff. Wallraff auch.

PS: Elisabeth Mohn meinte gestern bei einem vertraulichen Tête-à-tête zu mir: "Peter, nenn mich einfach Liz." Mach ich, Liz!

PPS: Geschrieben am 17. Juni.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter.


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1 Kommentar verfügbar

  • peterwmeisel
    am 27.06.2012
    Antworten
    Vor dreihundert Jahren wurde in Deutschland die Folter zuerst abgeschafft. Der Alte Fritz war's. Er hatte auch damals schon die Erfahrung, dass die Staatsfinanzen ein Quell persönlicher Bereicherung sein können.
    Heute gibt es in der Neuen Welt die Folter wieder und die europäischen Staatsfinanzen…
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