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Social Media und Trump

Geil, geiler, Zensur

Social Media und Trump: Geil, geiler, Zensur
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Das Interesse von Tech-Konzernen wie Twitter und Co. ist nicht, Garant der Rede- und Meinungsfreiheit zu sein. Sie wollen Geld machen – mit Werbung. Dafür brauchen sie Daten und Reichweite, und dafür wiederum Zugpferde wie Donald Trump. Es hat viel zu lange gedauert, ihn zu sperren.

Es ist eine Krux. Da gibt es jahrelang Diskussionen, vor allem auch in der politischen Linken, wie es zu schaffen sein könnte, den Hass aus Sozialen Medien zu verbannen. Dann wird Donald Trump auf Facebook und Twitter gesperrt und schon brennt der Busch. Die Meinungsfreiheit – beschnitten von Tech-Konzernen, Demokratie – untergraben von reichen, mächtigen Männern wie Zuckerberg und Dorsey. Aber Momentchen mal: Wer genau kam eigentlich auf die kuriose Idee, die großen Sozialen Netzwerke mit Meinungsfreiheit und Demokratie gleichzusetzen?

Facebook, Twitter und Co. sind zuallererst einmal private Wirtschaftskonzerne, die nun schon sehr lange viel eher dadurch aufgefallen sind, problematische Inhalte eben nicht von ihren Plattformen zu löschen. Im Gegenteil. Mit allem, was Aufmerksamkeit bringt, verdienen sie ihr Geld. Gerade Donald Trump, die personifizierte Hassrede, war für die Plattformen als Quotenbringer ein Glücksfall. Und die Sperrung jetzt, nach Jahren der Hetze – und erst nachdem sicher war, dass er nicht noch einmal Präsident der USA wird –, ist nicht mehr als ein Marketing-Gag. Ein kluger Schachzug, um das sinkende Schiff unter größtmöglicher öffentlicher Beachtung zu verlassen.

Das ganze Geschäftsmodell von Facebook und Konsorten funktioniert nur durch Aufmerksamkeit: je mehr davon, desto besser. Und Milliarden Nutzerinnen und Nutzer liefern den Tech-Giganten tagtäglich Unmengen von Gratiscontent, der den Platz zwischen den Anzeigen füllt und diese Mega-Werbemaschine am Leben hält.

Aber ist es nicht zumindest bedenklich, wenn privatwirtschaftliche Unternehmen ohne regulative demokratische Kriterien darüber entscheiden dürfen, wer seine Meinung öffentlich äußern darf?

Ja, das wäre sogar extrem bedenklich. Aber Facebook und Co. sind nicht der öffentliche Debattenraum. Das Internet bietet etliche Möglichkeiten, sich Plattformen zu suchen oder sogar selbst zu schaffen. Jeder kann Blogs aufmachen und wird im Zweifel sogar Anbieter dafür finden, die sich nicht um Hitlergrüße oder Hakenkreuze scheren. Denen es egal ist, ob dort zum bewaffneten Aufstand aufgerufen wird. Die sogar einen Terroranschlag live übertragen würden.

Die Sorge um die Beschneidung der demokratischen Freiheiten von Donald Trump ist auch gespeist von der Unwissenheit, was im Netz passiert, wenn keiner hinschaut und moderiert. Wenn Gesetze, die es ja gibt, nicht greifen, weil die Betreiber nicht belangbar sind und in der Anonymität des Internets abtauchen. Wer sich für eine komplett unregulierte, meinungsoffene Plattform einsetzt, dem sei der ein oder andere Blick in Foren wie 4chan empfohlen. Plattformen, die das Widerlichste im Menschen hervorbringen. Im Netz wird nicht zu viel gesperrt, sondern viel zu wenig.

Wer sich nicht ans Hausrecht hält, fliegt raus

Denn Meinungsfreiheit ist zwar ein Grundrecht und eines der wichtigsten noch dazu, als elementare Voraussetzung für jede liberale Demokratie. Aber auch Grundrechte gelten nicht absolut, sondern müssen gegeneinander abgewogen werden. Es gibt gute Gründe dafür, dass man andere Leute – selbst wenn es voll und ganz der eigenen Meinung entspricht – nicht einfach als "blödes Arschloch" bezeichnen darf. Ebenso gibt es vorzügliche Argumente für moderierte Debattenräume. Vor allem dann, wenn Wortbeiträge andernfalls diskriminierend ausfallen, Hetze verbreiten und Hohlköpfe sich dadurch zu einem Verhalten animiert fühlen, das den verbalen Hass in handfeste Aktionen verwandelt. So geschehen beim Sturm aufs Kapitol.

Kürzlich haben Amazon und Google die rechte App "Parler" aus ihren Stores genommen, weil sie mehrfach die AGBs (keine Aufrufe zur Gewalt beispielsweise) untergraben hat. Ist auch das ein Beschneiden der Meinungsfreiheit durch große Konzerne? Oder haben sie Leuten, die die Demokratie untergraben, nur eine von zahlreichen Spielwiesen mit unglaublichem Verbreitungspotenzial genommen? Denn das ist es im Grunde, was Facebook und Twitter bieten: eine Plattform für Reichweite. Und zwar mit einer Art digitalem Hausrecht für die privatwirtschaftlichen Betreiber.

Ist es Beschneidung der Meinungsfreiheit, wenn ein großes Lokal einem Demokratieverächter Hausverbot erteilt, weil der am Stammtisch lautstark zur Stürmung des Reichstags aufruft? Nazihorden beschwört, an seiner Seite zu stehen? Und wenn man die bedingungslose Meinungsfreiheit will: Muss man sich dann nicht auch dafür einsetzen, dass Rechtsextremisten ihre menschenverachtende Propaganda vor einem Millionenpublikum verbreiten dürfen? Braucht es auch Plattformen für Rassismus und Antisemitismus? Es gibt gute Gründe, dagegen zu protestieren und allen, die sich dafür einsetzen, dass Hetze in unserer Gesellschaft keinen Raum findet, prinzipiell zuzujubeln.

Wer bewacht die Moderatoren?

Aber besteht denn nicht die Gefahr, dass Facebook und Twitter ihre Macht missbrauchen? Dass bald nicht nur Donald Trumps geblockt werden, sondern auch Stimmen von der anderen Seite des politischen Spektrums? Dass kritische Positionen zu kontroversen Themen unterdrückt werden und die Plattformen Einfluss auf die demokratische Meinungsbildung nehmen?

Diese Gefahr besteht immer, und soziale Medien sind längst zu bedeutenden Faktoren in jedem Wahlkampf geworden. Und dabei nehmen sie algorithmenbasiert Einfluss. Aber umgekehrt gefragt: Wie soll sich das Problem der Einflussnahme eigentlich umgehen lassen? Aktuell wird von manchen eine Verstaatlichung oder Sozialisierung von Facebook und Co. gefordert. Aber wie wünschenswert wäre es denn, Staaten die Hoheit darüber zu überlassen, wer wann wo im Netz Reichweite generiert – und ab wann geblockt wird? Selbst bei einem zufällig ausgewählten BürgerInnenrat wäre nicht sichergestellt, dass die Bevollmächtigten ihre Machtfülle nicht für eigene Zwecke missbrauchen. Überhaupt: Wie soll, nach Maßgabe eines solchen Gremiums, eine Entscheidung gefällt werden, was geht und was nicht? Indem über die Zulässigkeit eines jeden Postings basisdemokratisch debattiert wird? Das ist angesichts der Fülle von Content utopisch. Also lieber gar nicht moderieren und schlichtweg alles zulassen? Was, wenn zu Straftaten aufgerufen wird? Wenn Menschen verletzt werden, gemobbt, in den Selbstmord getrieben wird? Wäre dann Zensur erlaubt? Und was wäre in diesem Fall der Unterschied zum Trump-Bann?

Das Problem ist weniger, dass Facebook, Twitter und Instagram Beiträge löschen. Viel schlimmer ist, wie sehr diese drei Plattformen den Meinungsmarkt dominieren. Tatsächlich gibt es keine demokratisch kontrollierte, zentrale Plattform für den öffentlichen Austausch. Und die klassische Medienwelt unterliegt einer immer stärkeren Segmentierung, mit Nischenangeboten für etwaige Interessierte. Von den wenigen Vollsortimentern, die es gibt, erreicht keiner eine Mehrheitsbevölkerung – mit der Folge, dass der Informationsstand der Gesellschaft zu verschiedenen Themen extrem unterschiedlich ausfällt.

Andererseits: Wer würde einen solchen Zentralversorger moderieren? Wie soll man alle demokratischen Akteure motivieren, ihn auch zu nutzen? Wer entscheidet, welche Nachrichten dort platziert werden dürfen? Und vor allem: Wäre diese Instanz, sofern sie ernsthaft moderiert wird, nicht sehr viel restriktiver, als es Soziale Medien sind?

Letztlich zeigt die Debatte vor allem eins: wie kompliziert die Sache mit der Demokratie ist. Und dass Meinungsmonopole unter keinen denkbaren Umständen erstrebenswert sind. Weder staatliche noch wirtschaftliche. Die Marktmacht von Facebook und Twitter ist dabei schon seit geraumer Zeit viel zu groß. Dass aber private Unternehmen von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, taugt nur sehr bedingt zum Skandal. Und erst recht nicht, wenn es einen trifft, der es so sehr verdient hat wie ein abgewählter Präsident, der Menschen zwecks Machterhalt zum Aufstand aufwiegelt.


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6 Kommentare verfügbar

  • Peter Nowak
    am 26.01.2021
    Antworten
    Zitat aus dem Beitrag:
    Da gibt es jahrelang Diskussionen, vor allem auch in der politischen Linken, wie es zu schaffen sein könnte, den Hass aus Sozialen Medien zu verbannen

    Ich halte für problematisch, wenn die politisch Linke jahrelang diskutiert, "wie es zu schaffen sein könnte, den Hass aus…
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