"Es gibt kein Recht auf Faulheit", verkündete Gerhard Schröder 2001 in der "Bild"-Zeitung. Damals ärgerte sich der SPD-Bundeskanzler über einen viel zu zimperlichen Umgang des Staates mit arbeitsunwilligen Erwerbslosen. Zwar könnten gegen diese Sanktionen verhängt werden. Schröder glaube allerdings, "dass die Arbeitsämter die entsprechenden Möglichkeiten noch konsequenter nutzen können." Gesagt, getan: Wer sich nach den Hartz-Reformen wiederholt weigerte, eine "zumutbare" Arbeit aufzunehmen, dem konnte nun die als Existenzminimum definierte Grundsicherung drastisch gekürzt oder auch ganz gestrichen werden. Wer aber, wie Schröder, erfolgreich zwei juristische Staatsexamen absolviert hat, könnte schon mal was vom Grundgesetz gehört haben. Das definiert die Menschenwürde als unantastbar und die Republik mit Ewigkeitsgarantie als "sozialen Bundesstaat".
Leben ohne Zimmerpflanze
Am vergangenen Dienstag entschied nun das Bundesverfassungsgericht, dass es mit der wichtigsten Rechtsgrundlage in Deutschland unvereinbar ist, ein Existenzminimum um mehr als 30 Prozent zu kürzen. Der Hartz-IV-Regelsatz ergibt sich übrigens aus einer strengen Bedarfsprüfung, die beispielsweise eine Kugel Eis oder eine Zimmerpflanze als Luxus und damit "nicht regelbedarfsrelevant" auslegt (Kontext berichtete).
Weniger akribisch scheint die Bedürftigkeit nach staatlichen Sozialleistungen bei solchen Menschen geprüft zu werden, die 30 000 Euro und mehr für einen elektrisch betriebenen Neuwagen übrig haben: "Regierung und Autoindustrie vereinbaren höhere Kaufprämie für E-Autos", titelt die "Welt" vielsagend. Wie schön, dass die Lobbyisten von Daimler und Co. diesen Kompromiss (6000 Euro Zuschuss beim Autokauf) akzeptieren können. Sie sind es ja auch, die Arbeitsplätze schaffen.
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cource
am 08.11.2019