Dies ist ein sehr spezieller Kontext. Mit meinem Alltag hat die Filmwelt, abgesehen von dem einen oder anderen Kinobesuch, nichts zu tun, und ich vermute, mit dem des Großteils unserer LeserInnen auch nicht. Doch es wäre falsch, #MeToo deswegen ad acta zu legen, ganz im Gegenteil. Auch wenn es vielleicht manche Männer verlockt, sich der Debatte mit genau dem Verweis darauf nicht zu stellen. Doch allein die Masse an Berichten, die mit #MeToo versehen wurden, verbietet es uns.
Sie zeigen, wie allgegenwärtig Missverhalten von Männern ist. Spätestens wenn man die Debatte also vom Hintergrund des Showbusiness mit seinen speziellen Bedingungen löst, wird sie anwendbar, relevant, gesellschaftlich wichtig. Man muss ihren Kern herausschälen, und genau da fangen die Probleme an. Denn was genau ist ihr Kern? Wie immer, wenn man Details in den Blick nimmt, wird es komplex. Und das Ergebnis des Herausschälens hängt offensichtlich auch ganz davon ab, was man persönlich mit der Debatte bezwecken will. Ich finde, der Kern dieser Debatte ist: "Wie soll Mann sich Frau gegenüber verhalten?" Aber mein Eindruck ist, dass wir als Gesellschaft uns noch nicht einmal über die Prämisse geeignet haben, um was es in dieser Diskussion geht. Und mein Gefühl ist, wir sind schon wieder unterwegs, auf der Suche nach dem nächsten Ding, das die Gemüter erhitzt. Oder Schlagzeilen hervorbringt. Dabei sind wir mit #MeToo doch noch gar nicht fertig!
Ich habe in meinem Alltag geschaut, was sich dort von #MeToo findet, so wie ich den Themenkomplex verstehe. Ich weiß übrigens nicht, wie es Ihnen geht. Aber bei mir ging das ohnehin fast automatisch, das Suchen nach #MeToo im Alltag. Die Debatte hat zumindest bei mir schon etwas erreicht. Und ich hoffe – auch wenn ich es bezweifle –, dass sie das auch bei den Männern geschafft hat, die sich eigentlich gar nicht für das "Gedöns" interessieren.
Schade, dass Witze über Namen nicht erlaubt sind
Ich hatte ein paar Artikel zu dem Thema gelesen, natürlich die sensationelle Enthüllung über Harvey Weinstein im "New Yorker", habe Texte über Dieter Wedel studiert (schade, dass man keine Witze über Namen machen darf) und Catherine Deneuves Entgegnung zu #MeToo. Habe mit Freunden darüber diskutiert, inwiefern die Debatte auch kulturimperialistisch geprägt ist und sich mit einem guten Ansatz die Kultur der Prüderie durch die Hintertür ins Salonzimmer einschleicht. Jedenfalls nahm ich mir die #MeToo-Brille gerne aus dem Etui, fast ohne es zu merken. Selbst wenn es sich dabei um ein rahmenloses Gestell handelt, sodass nicht immer klar ist, was man jetzt durch die Brille anschaut und was nicht: Die Brille hat mich doch manche Realität neu sehen lassen.
Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an einen frühen #MeToo-Moment. Ich habe es nicht persönlich miterlebt, doch Freunde, die dabei waren, berichteten mir, wie der Schulleiter meines Gymnasiums auf einem Weinfest in trunkenem Zustand eine Schülerin zu sich auf den Schoß zog. Wir waren damals alle einhellig der Meinung, dass das scheiße ist. Auch weil der Schulleiter nicht sonderlich beliebt war. Und vielleicht auch, so ehrlich muss man sein, weil uns die Schülerin auch gefiel. Heute, mehr als zwanzig Jahre später und damit auch zwanzig Jahre älter, frage ich mich, inwiefern sich bei manchen meiner Kollegen diese Ablehnung etwas verschoben haben mag. Ich persönlich möchte keine Abiturientin auf meinem Schoß sitzen haben, des Alters wegen, unabhängig von ihrem Aussehen. Aber so sicher bin ich mir nicht, dass die Phalanx der Ablehnung von damals heute nicht etwas löchriger wäre.
Vom Starnberger See aus lässt sich prima starten
Ich habe auch gemerkt, dass für mich #MeToo irgendwie im Raum schwebt, aber nicht trennscharf. In Leipzig, zum Beispiel, mit Freunden in der Kneipe, am Tisch eine junge Frau, 33, eigentlich eine Dauer-Reisende. Um Geld zu sparen, hat sie sich jedoch in der günstigen Stadt Leipzig niedergelassen. Sie sei emanzipiert, sagt sie, und betont, wie wichtig ihr ihr Lifestyle sei, Sport machen, raus in die Berge, im Grünen sein, und natürlich reisen. Sie wolle einen reichen Mann, am besten aus München, mit einem Haus am Starnberger See, man sei so schnell draußen von dort aus. Meinen Einwand, das sei jetzt nicht gerade emanzipiert, lässt sie nicht gelten. "Mir ist mein Lifestyle halt wichtig", sagt sie. Fängt #MeToo da schon an, frage ich mich, und komme zu dem Ergebnis, dass man diese Frage am besten mit sich selbst ausmacht.
5 Kommentare verfügbar
adabei adabei
am 07.03.2018Dennoch muss man nach der #MeToo-Debatte vielleicht fragen dürfen: Ist zum Beispiel Melania Trump hilfloses Opfer eines gealterten Pussy-Grabschers oder subjektiv und als…