KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Bettenrelevant

Bettenrelevant
|

Datum:

Der Papst kommt zwar als Staatschef des Vatikans, und der ist – bei Gott – keine Demokratie. Aber Benedikt kommt auch als Oberhaupt von zwei Milliarden Katholiken, und die sind alle potenziell Freiburgtouristen. Mit den Worten der Touristik: Der Papst ist bettenrelevant und damit von existenziellem Interesse für die Schwarzwaldmetropole. Schreibt der Kabarettist Matthias Deutschmann in einem Beitrag für die Kontext:Wochenzeitung.

Statistisch gesehen kommt alle 500 Jahre ein Papst nach Freiburg. Aber diesmal ist es ein deutscher Papst, und das macht die Angelegenheit zu einem historischen Ereignis, das sich sehr wahrscheinlich – ebenfalls aus statistischen Gründen – niemals wiederholen wird. Das erklärte Ziel der gerade noch rechtzeitig erbitterten Papstgegner, nämlich "Freiburg ohne Papst", wird daher schon am späten Sonntagnachmittag, wenn Benedikt die Stadt Richtung Rom verlässt, endgültig erreicht sein. Bis dahin müssen sich die Antipapisten, die sich unter dem Schutzmantel des rosafarbenen Münsterkondoms geistig versammelt haben, in Demut üben und das Kreuz ihrer Ohnmacht geduldig tragen.

"Gott will es!", riefen die Kreuzfahrer, als sie Jerusalem stürmten, und so erscheint auch die Eroberung der Freiburger Innenstadt durch Pilgerscharen durchaus gottgewollt. Am besten man verlässt rechtzeitig die Stadt! Widerstand ist nicht nur zwecklos, sondern auch sinnlos, und es wäre durchaus verständlich, wenn Freiburgs Grüner Oberbürgermeister – nach altem Brauch – auch der Papistenzunft die Rathausschlüssel herausgäbe.

Keine Geldverschwendung, sondern Förderung der Holzwirtschaft

Aber Dr. Salomons salomonische Aufgabe ist es, ein guter Gastgeber zu sein und dem Papst das Goldene Buch der Stadt aufzuschlagen, wo sich Benedikt dann unweit des Großmuftis von Syrien eintragen darf. Auch hier verlangen die Papstgegner Menschenunmögliches: Ein OB kann dem Papst nicht das Goldene Buch der Stadt verweigern. Der Papst kommt zwar als Staatschef des Vatikans, und der ist – bei Gott – keine Demokratie, aber er kommt auch als Oberhaupt von zwei Milliarden Katholiken, und die sind alle potenziell Freiburgtouristen. Mit den Worten der Touristik: Der Papst ist bettenrelevant und damit von existenziellem Interesse für die Schwarzwaldmetropole.

Eine Brüskierung des Papstes wäre für Freiburg nur akzeptabel, wenn im Gegenzug ein ständiger Eintrag des Stadtnamens in die Wetterkarte von ARD und ZDF erfolgen würde. Das wäre noch bettenrelevanter, ist aber zurzeit politisch nicht durchsetzbar. Aus diesem Grunde hilft die Stadt Freiburg dem völlig überforderten Erzbischof, den Besuch des alten Herrn organisatorisch zu überstehen. Das leise Fluchen aus der Kirche ist unüberhörbar. Die wirklichen Kosten liegen weit über den geplanten zehn Millionen Euro, und es kommen weit weniger Gläubige als angenommen.

Immerhin zieht der Papst mehr Fans an als Herbert Grönemeyer, was daran liegen könnte, dass er nicht singt und keinen Eintritt nimmt. Bei erhofften 100 000 Besuchern müsste – sauber kalkuliert – die Eintrittskarte gut 200 Euro kosten, um dem Staat – also uns – nicht auf der Tasche zu liegen. Es hat aber an dieser Stelle wenig Sinn, den Klerus mit dem spitzen Bleistift des Steuerprüfers zu piesacken. Ein Hochamt der Verschwendung ist vielleicht nicht im Sinne Jesu Christi, hat aber den Segen unserer Wirtschaftsordnung: Der Papst fördert die regionale Holzwirtschaft.

Mehr Aufklärung geht nicht

25 Kilometer Schwarzwälder Tannensitzbänke können das mit Leichtigkeit beweisen. Natürlich fragt sich der kritische Amateurhumanist: "25 000 Meter Tannenholz, wie viele Scheiterhaufen hätte die Kirche noch vor 400 Jahren daraus wohl gemacht?" Aber heutzutage trifft sich der Papst mit Opfern der Kirche, statt sie verbrennen zu lassen. Ist das denn kein Anlass, wenn nicht zur Freude, dann doch wenigstens zu etwas Milde? Wer immer mit diesem Papst feiern möchte, bitte schön! Müssen wir denn die Katholiken über ihren Chef aufklären? Sollen wir ihnen mit Kant kommen? "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen."

Nein, die Katholiken kennen ihren Papst und wissen um seine professionelle Unbarmherzigkeit im Umgang mit der Kirche von unten. Wer glaubt denn, dass der Papst seit 1870 der unfehlbare Stellvertreter Gottes ist? Freiwillige vor! Joseph Aloisius Ratzinger wirbt in Freiburg an einer Matthias Deutschmann. Foto: Meinrad HeckLitfasssäule mit "Wir sind Papst" und "Ich bin Benedikt!" Darunter klebt das Plakat einer Hausreinigungsfirma: "Wir bekehren Sie!" Mehr Aufklärung geht nicht.

Der Kabarettist Matthias Deutschmann (53) lebt mit seiner Familie in Freiburg im Breisgau. Im März hatte sein Bühnenprogramm "Deutsche, wollt Ihr ewig leben?" im Münchner Lustspielhaus Premiere. Deutschmann ist 1992 mit dem Deutschen Kabarettpreis und 1994 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett ausgezeichnet worden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


1 Kommentar verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 14.04.2017
    Antworten
    Wie wohl, wiewohl, Matthias Deutschmann sich der Tatsache bewusst ist: Der Papst kommt zwar als Staatschef des Vatikans, und der ist – bei Gott – keine Demokratie.

    Joseph Ratzinger wird 90 | Papst "im Ruhestand" feiert Geburtstag
    Heute in SWR1 Sonntagmorgen, von 6-10 Uhr

    Also im PS-Forum(¹)…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!