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Ein Hoch auf die Zookunft!

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Der Juchtenkäfer und die Mopsfledermaus verschwinden, der Ochsenfrosch kommt. Baden-Württembergs Tierwelt verändert sich. Es ist Zeit, die aussterbenden Arten zu verabschieden und die Neuankömmlinge willkommen zu heißen. Eine Rede vor dem Tierkongress.

Sehr geehrte Mopsfledermaus, lieber Ochsenfrosch, verehrte Würfelnatter, meine Weibchen und Männchen, liebe Freundinnen und Freunde,

wir leben in Zeiten epochaler Veränderungen. Die Zukunft kommt oft schneller als man denkt. Vielleicht fängt sie sogar schon morgen an. Auch die Tierwelt Baden-Württembergs wird sich verändern. Manche von euch verschwinden, andere kommen hinzu. Das ist kein Grund zur Trauer, sondern ein Zeichen von Modernität. Außerdem hat es jeder von euch selbst in der Hand zu überleben. Auf die Arche Noah retteten sich gerade einmal zwei von jeder Sorte und das war auch kein Problem. Warum jammern wir also, wenn es von manchen Arten doch noch hundert Exemplare gibt? Die, die da keinen Partner oder keine Partnerin finden, sind doch selbst schuld.

Wahr ist, dass einige von euch in Zukunft nicht mehr in unserem Baden-Württemberg leben werden. Deshalb ist es höchste Zeit, ein herzliches Wort des Dankes zu sagen. Danke an euch Reptilien, Amphibien, Säuger, Fische, Vögel und sonstige, die wir bald nicht mehr sehen werden, außer im Fernsehen, im Zoo oder in Bilderbüchern. Natürlich kann ich mich nicht von allen persönlich verabschieden, deshalb seien stellvertretend ein paar Arten genannt. Doch zunächst: Warum verlasst ihr uns überhaupt? Der neue Zoodirektor der Stuttgarter Wilhelma, Thomas Kölpin, sagt, es liege an uns Menschen, "die sich immer weiter ausdehnen." Ja, die Statistik zeigt, wir dehnen uns aus: Wir Deutschen sind mittlerweile das zweitdickste Volk Europas! Zwar bewegen wir uns weniger und treten seltener auf euch! Doch wenn es passiert, endet es meist tödlich. Wir fahren kurze Strecken mit dem Auto - das ist unser gutes Recht. Leider überfahren wir dann ein paar von euch Kröten und Reptilien. Liebe Geburtshelferkröte, liebe Knoblauchkröte, bald seid ihr ganz weg. Aber sollen wir deshalb den Verkehr abschaffen? Beschwert euch am besten bei den Grünen-Wählerinnen und Wählern: Wann haben die zum letzten Mal eine Kröte über die Straße getragen? Die sitzen doch lieber zu Hause und knabbern an ihrem Müsli. Dafür wird Getreide mit riesigen Maschinen abgeerntet, und du lieber Feldhamster kommst unter die Räder. Wer also Hamster retten will, sollte mehr Fleisch essen - nein, natürlich kein Hamsterfleisch.

Roland Herdtfelder, ein Nabu-Biologe, sagt: "Arten, die sich schnell anpassen, sind im Vorteil." Recht hat er. Moderne Zeiten verlangen Anpassung. Wer das nicht kapiert, bleibt auf der Strecke. Einige von euch Reptilien haben es nicht verstanden. Liebe Würfelnatter, du hattest 2009 deinen größten Erfolg, wurdest zum Reptil des Jahres gewählt. Dazu noch einen letzten herzlichen Glückwunsch! Denn von dem Erfolg kannst du dir nichts mehr kaufen. Flussbegradigungen, Gewässerverschmutzung und Staustufenbau - deine Eiablageplätze und Winterquartiere sind futsch. Aber wer sich nicht anpassen kann... Euch Fledermäusen geht es auch nicht besser. Von einigen Arten müssen wir uns endgültig verabschieden. Das ist traurig, doch seien wir ganz offen und ehrlich: Wer wird euch vermissen? Einige von euch sehe ich heute zum ersten Mal. Habt ihr Anderen bisher etwas von dem Großen Mausohr, der Wimperfledermaus, der Großen Hufeisennase oder der Mopsfledermaus gehört? Okay, liebe Mopsfledermaus, du hattest im vergangenen Jahr deine fünfzehn Minuten Ruhm. Da stopptest du die Sauschwänzlebahn, weil du dich in den Tunneln der Strecke eingenistet hast. Eine sehr egoistische Aktion von dir! Das gleiche gilt für dich, verehrter Juchtenkäfer. Unsere Kanzlerin hat es bereits gesagt: Es kann nicht sein, dass Kleintiere wie du Großprojekte verhindern. In Zukunft müsst ihr euch unseren Bedürfnissen anpassen, nicht umgekehrt! Das seht ihr doch wohl ein.

Es tut mir leid, dass ich nicht jeden nennen kann, aber das führte zu weit. Werft einfach einen Blick auf die "Rote Liste", da stehen alle drin, die bald weg sind. Auch ein paar sehr witzige Namen - Ziegenmelker, Rotkopfwürger, Löffelente. Vielen Dank euch allen.

Und jetzt lassen Sie uns endlich unsere neuen Mitbürger willkommen heißen. Herzlich willkommen, lieber Ochsenfrosch. Du hast dich im Karlsruher Raum angesiedelt, bald wirst du überall sein. Und du hast "gewaltigen Hunger und ein großes Maul", sagt Harald Gebhardt vom Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz über dich. Du frisst gern andere Frösche, Kröten, Eidechsen, Schlangen, Vögel, Fische, du frisst eigentlich alles. Fressen und gefressen werden - das ist das Motto der Zukunft. Und du, lieber Ochsenfrosch, weißt: es überlebt, wer frisst. Nach Baden-Württemberg kamst du eher zufällig. Vor einigen Jahren sind ein paar von euch aus einem Freigehege einer Tierhandlung ausgebüchst. Seitdem pflanzt ihr euch wie verrückt fort. Euch gehört die Zukunft!

Herzlich willkommen Feuerlibelle, südliche Mosaikjungfer und Mittelmeermöwe. Dank des Klimawandels werden sich schon bald weitere Vögel und Insekten bei uns ansiedeln. Baden-Württemberg wird exotischer, und das ist auch gut. Auf das ein oder andere neue Insekt könnten wir verzichten. Auch auf dich, asiatische Tigermücke. Du überträgst das Denguefieber, das können wir hier nicht gebrauchen. Oder auf dich Sandmücke, du bist für die Übertragung der Leishmaniose verantwortlich. Auf Sizilien hast du schon 80 Prozent der Hunde infiziert. Wir wollen hier keine italienischen Verhältnisse. Aber jetzt werde ich zu pessimistisch.

Meine Weibchen und Männchen, denkt immer dran: Wir können stolz auf das sein, was wir erreicht haben. Die Zukunft kann kommen, zumindest für die meisten von uns. Für alle anderen gilt: Herzlichen Dank und Kopf hoch!

Ralf Keinath (29) kommt aus dem Odenwald und hatte deshalb mehr mit Tieren als mit Menschen zu tun. Das ist vielleicht der Grund, warum er vor dem Tierkongress sprechen durfte.


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8 Kommentare verfügbar

  • Roland
    am 23.03.2014
    Antworten
    @ espresso
    gar nichts tut Ihnen leid. Wenn hier jemand Meinung verbreitet - und das m.E. in einer dümmlich provokanten Art - dann sind Sie das!
    Es lohnt nicht diesen Troll weiter zu füttern.
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