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"Kein Bock auf Wühltisch"

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Mark Bezner, Chef des Bietigheimer Hemdenherstellers Olymp, rechnet ab: mit Betroffenheits-Talkshows gegen die Ausbeutung von Fabrikarbeiterinnen in Bangladesch und mit dem verhängnisvollen Drang zu immer billigeren Produkten. Ein Interview zum Start des Sommerschlussverkaufs.

Herr Bezner, was haben Sie am 24. April 2013 beim Nachrichten-Schauen gedacht?

Das war der Tag, als in Bangladesch das <link http: www.taz.de _blank>Rana Plaza zusammengebrochen ist und Tausende Menschen unter sich begraben hat, richtig?

Richtig.

Mir war sofort klar, dass diese Katastrophe in einem der Betriebe passiert sein muss, in denen ich nicht produzieren will und auch gar nicht produzieren kann.

Warum denn nicht?

Weil Sie in solchen Betrieben nicht zu fairen Kosten produzieren können. Nicht weil wir hier bei Olymp so gute Menschen sind, sondern weil Näherinnen keine hochwertigen, bügelfreien Hemden in heißen, dreckigen Fabrikhallen herstellen können. Näherinnen, die in 14-Stunden-Schichten arbeiten und hungrig sind, schaffen das nicht. Unser Anspruch sind Hemden in Topqualität, die pünktlich und vollständig geliefert werden.

Unfaire Zustände können Sie also für Ihre Betriebe in Bangladesch ausschließen?

Definitiv. Wir sind seit Jahrzehnten in Asien mit den immer gleichen Partnerunternehmen aktiv. In Indonesien seit über 25 Jahren, aber auch in China, Vietnam und in Bangladesch. Ich bin jedes Jahr in Asien und kenne die Fabriken. Und wir haben eigene Mitarbeiter ständig in den Produktionshallen. 

Und andere haben das nicht?

Andere, und darunter sind große namhafte Discounter, wissen nicht einmal, woher genau und von wem ihre Textilien kommen.

Wie geht das denn?

Die schreiben ihre Aufträge – und da geht es um Orders von mehreren Hunderttausend Jeans, Hemden oder T-Shirts – in Auktionen aus. Den Zuschlag bekommt am Ende der, der am billigsten liefert. Denen ist vollkommen egal, von welchen Subkontraktfirmen die Ware tatsächlich kommt.

Nach der Katastrophe im Rana Plaza mit geschätzt 1200 Toten gab es eine Art Eigenverpflichtung der Bekleidungsunternehmen ...

... solche Abkommen und Verpflichtungen gibt es doch schon zuhauf. Bei geschätzt 10 000 Textilfabriken kommen Sie doch mit dem konsequenten Prüfen gar nicht hinterher. Die Realität sieht doch so aus, dass in Staaten wie Bangladesch derartige Zertifikate mit "Under-the-table-Money" gekauft werden. Sie müssen sich als Unternehmer ein eigenes Bild machen und in der gesamten Lieferkette Ross und Reiter nennen. Das bringt viel mehr als irgendwelche Mega-Quatsch-Runden.

Die USA haben als Reaktion die bislang Bangladesch gewährte Zollfreiheit aufgehoben.

Was bezwecken die denn damit? Vielleicht sollen damit eher andere Herstellungsländer einen Vorteil erhalten. In Bangladesch sind die Opfer am Ende die Näherinnen, die mit ihrem Lohn ganze Familien ernähren müssen und dann auf der Straße stehen. Die unseriösen Unternehmer haben dagegen ihre Schäfchen schon längst in Trockene gebracht. Ich bin für Druck, aber bitte mit Verstand!

Müsste nicht der intelligenteste Druck vom Konsumenten selbst kommen? "Der größte Lebensmittelskandal ist dein Einkauf", lautet ein Spruch gegen das Billigheimertum. Das lässt sich doch auf Ihre Branche eins zu eins übertragen.

Klar, aber was erleben wir? Immer billiger, billiger, billiger. Damit muss es ein Ende haben. Der deutsche Textilmarkt ist der brutalste der Welt. Kann ich mich eigentlich als Verbraucher nur dann geil fühlen, wenn ich ein Schnäppchen am Wühltisch gemacht habe? Ich sage Ihnen: Ich habe keinen Bock auf Wühltisch! Deshalb habe ich auch allen Händlern gesagt, dass ich keine Rabatte auf Kurzarmhemden vor dem 1. Juli haben möchte.

Wissenschaftler sagen: Sieht der Mensch "Sale" oder "50 Prozent Rabatt" im Schaufenster, löst das Hirn Glücksgefühle aus ...

... und wenn wir so weitermachen, wartet auch noch der letzte Kunde auf den Schlussverkauf. Der Kunde fühlt sich im Übrigen auch verarscht, wenn er einen Mantel für 699 Euro kauft und den gleichen Mantel eine Woche später für 399 Euro im Schaufenster sieht. Wir verlieren damit auch vollkommen das Gefühl für die Wertigkeit von Bekleidung.

Ihr Kollege Wolfgang Grupp von Trigema sagt, das Problem liege darin begründet, dass alle Kleiderschränke voll seien.

Stimmt, niemand kauft sich heutzutage einen Mantel, weil ihm kalt ist.

Dieser Herr Grupp, bekannt durch die Werbung mit dem Affen, will aber im Gegensatz zu Ihnen seine T-Shirts "weiterhin nur in Deutschland produzieren".

Das können Sie gar nicht miteinander vergleichen. Der strickt seine T-Shirts vollautomatisch, mit extrem geringem Personalaufwand. So ein T-Shirt ist rucki, zucki fertig in etwa acht Lohnminuten. Für ein Hemd unserer Qualität müssen Sie mit 50 Lohnminuten rechnen.

 

Mark Bezner (50) ist Geschäftführer des inhabergeführten Familienunternehmens Olymp mit Sitz in Bietigheim-Bissingen, 20 Kilometer nordwestlich von Stuttgart. Das Unternehmen beschäftigt in Deutschland 564 Mitarbeiter und verkauft im Jahr zehn Millionen Hemden. Der Umsatz lag 2012 bei knapp 187 Millionen Euro. Die Olymp-Bezner-Stiftung unterstützt weltweit Kitas, Wohnheime und Kliniken für Kinder und Jugendliche. 


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5 Kommentare verfügbar

  • Peter S
    am 26.07.2013
    Antworten
    Lieber Andreas, sollte ich den Eindruck erweckt haben, dass ich jeden Monat nach USA fliege um mir dort Klamotten zu kaufen, so war das nicht beabsichtigt. Die Beispiele sollten meinen Eingangssatz bzgl des "brutalen" Textilmarktes in Deutschland untermauern. Es bleibt dabei, eine Lewis in USA ist…
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