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Kultur: Märchenhaft geht es unter Grün-Rot noch nicht zu. Nur der Tanz ist schon aus dem Dornröschenschlaf erwacht, meint Theaterhauschef Werner Schretzmeier.

Was bei Erwin Teufel schon gut war, kann Winfried Kretschmann nur besser gelingen. Foto: Martin Storz Kultur: Märchenhaft geht es unter Grün-Rot noch nicht zu. Nur der Tanz ist schon aus dem Dornröschenschlaf erwacht.

Die grün-rote Kulturpolitik beginnt nach zwei Jahren langsam Konturen zu gewinnen. War schon bei Schwarz-Gelb nicht alles schlecht – die Kulturpolitik war immer eines der  gut bestellten Gebiete der 100-jährigen CDU-Dominanz –, so ist nun bei der neuen Regierung eine Modifizierung im Gange. Die Vielfalt der Kultur soll auch politisch an Bedeutung gewinnen. Zweifellos ist daran auch die Neuentdeckung des großen Themas Bildung schuld.

Bildung ohne die Einbindung kultureller Bereiche ist heute nicht mehr vorstellbar. Die Kraft und Fantasie von Sprache, Bewegung und Klang, künstlerisch vermittelt, wird mehr und mehr Partner von Lehrinhalten. Das hat Grün-Rot erkannt. Der Tanz ist dadurch aus seinem baden-württembergischen Dornröschenschlaf erwacht, obwohl andere Bundesländer diese Kunstform schon lange und vielseitig für alle Altersschichten zugänglich machen und nachhaltig fördern. Nun also lassen auch Kretschmann/Schmid tanzen. Und nicht nur das. 

Die Soziokultur wurde auf stabilere Füße gestellt, für viele kleine Einrichtungen ein wichtiges Signal. Ein Innovationsfonds für kulturelle Projekte wurde aufgelegt und erfreut sich größter Aufmerksamkeit. Schritte der Hoffnung. Natürlich wäre es sensationell, würde die grün-rote Kulturpolitik mal 15 Millionen aus allen hoch subventionierten Kultureinrichtungen des Landes in die freie Kunstszene umverteilen. Aber so märchenhaft geht's dann doch nicht. 

Zwei Jahre Politikverantwortung ist eine kurze Zeit. Im Fußballjargon würde man sagen, die erste Halbzeit ist bald vorbei; schaut zu, dass ihr den knappen Vorsprung in die Halbzeitpause rettet, um dann in den restlichen zweieinhalb Jahren ein richtig gutes Spiel zu zeigen, in dem gefördert, geholfen und ermöglicht wird. Jeder zusätzliche Euro, der in die Kultur fließt, bedeutet steigende Lebensqualität. Wer knausert, fliegt vom Platz und erhält eine empfindliche Sperre von drei Legislaturperioden. Also, Grün-Rot, seid keine Verzager! Kulturinvestition ist die beste Vorsorge gegen gesellschaftliche Spaltprozesse. Kultur ist wie der Rand um den Teller: Ohne ihn würde die Suppe auf den Tisch fließen.

Und wie sagte der große poetische Kabarettist Hanns Dieter Hüsch: Der Mensch bezieht seine ganze Wärme aus einem Teller Suppe. Kultur hält zusammen. Und Grün-Rot?

 

Werner Schretzmeier, Dokumentarfilmer, Autor und Regisseur, ist Mitbegründer des Theaterhauses Stuttgart.

 


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